log #601: KulturBüro Stainz

Die Äußerung "Ich verstehe nichts von Kunst" ist der bedauerliche Ausdruck einer merkwürdigen Ratlosigkeit. Wir haben jeden Tag die Möglichkeit zu ästhetischen Erfahrungen, also zu Wahrnehmungserfahrungen, dank derer wir zu individuellen Auffassungen über Kunst gelangen. Das geht selbstverständlich auch ganz ohne Fachdiskurse.

Es war eben von Volkskultur die Rede. Das meint aktuell unter anderem die Klein- und Flurdenkmäler als Elemente einer vorindustriellen Info-Sphäre, mit der sich Menschen umgeben haben. Ein System komplexer Erzählungen. Dabei lohnt sich auch das Augenmerk auf die Ausstattung von Kapellen und Kirchen. Das bietet viele Beispiele einer umfassenden Mediensituation.

Die profane Version wird heute als Kunst im öffentlichen Raum bezeichnet. Dazu wäre allenfalls ein eigenes Genre zu rechnen, das man als Kunst im Kreisverkehr bezeichnen könnte, wobei das meiste, was ich in der Sache zu sehen bekomme, eigentlich Dekorationsgegenstände sind, die zwar als "Kunst" etikettiert werden, aber in Diskursen über Gegenwartskunst eher nicht vorkommen.

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Wir pendeln zur Zeit zwischen Ost- und Weststeiermark, um diesen Motiven nachzugehen. Hier der Ausschnitt einer Pieta in einer Wünschendorfer Laubenkapelle. Es erstaunt teilweise, welchen Aufwand einzelne Familien in Kauf nehmen, um derart gestaltete Privatinitiative in die nahen Zukunft fortzuschreiben.

Für uns wird inzwischen immer deutlicher, wie sich das im Themenkomplex "Volkskultur | Popkultur | Gegenwartskunst" ausmacht; siehe dazu den Eintrag #599!

Es ist ein wenig wie in Zeiten meines Großvaters Richard, der in eine Kirche oder auf einen Friedhof gehen mußte, um Kunstwerke sehen zu können, weil sein Alltag nicht mit anderen Formen des Kulturbetriebes verknüpft war.

Ewald Ulrich (Fokus Freiberg), mit dem wir in einem Teilprojekt zur Volkskultur verbunden sind, sandte mir eben einige Fotos aus einer Kapelle im oststeirischen Wildwiesen. Die Bild-Text-Kombination finde ich besonders interessant. Dazu werden wir uns noch speziell nach Votivbildern umsehen.

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Im April hatten wir bei einer vorangegangenen Wallking Conference zum Thema "Gehen" schon eine auffallende Gewichtung auf Zeichen im öffentlichen Raum, statt -- wie geplant -- das Thema Mobilität stärker auszuloten. Siehe: [Doku]

Bei dieser Konferenz war Gerhard Pilz (StainZeit) mit uns gewesen. Er hatte uns auf jenem Rundgang ein interessantes Stainzer Beispiel gezeigt, das derzeit zur Diskussion steht, denn hier ist eine künstlerische Arbeit gerade Anlaß für die Erörterung des Umganges mit solchen Zeichen.

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Wie man es auch dreht, der öffentliche Raum ist natürlich Ort unserer leiblichen Anwesenheit in der Form des Gehens, aber zugleich seit über hundert Jahren von einer Konkurrenz der gehenden Menschen mit Kraftfahrzeugen geprägt.

Das Gehen, Fahren und Verweilen ist jeweils mit unterschiedlichen Zeichensystemen belegt. Pilz hat aktuell einige Fundstücke von entlegenen Stellen geschickt, wie das nebenstehende Kastenkreuz.

In freier Natur sind solche Wegmarken nicht von der auffallenden Dichte ästhetischer Grausamkeiten überdeckt, wie wir sie in Siedlungsgebieten häufig finden.

Das rührt einmal mehr an den Fragen, wer nun den öffentlichen Raum mit welchen Inhalten bespielen darf und in welcher formalen Ausführung sich das dann ereignet.

Ich denke, wir werden auf diesen Zusammenhang ein spezielles Augenmerk gerichtet halten: Das Gehen, Fahren und Verweilen...

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Das aktuelle LEADER Kulturprojekt in der Verantwortung von Fokus Freiberg, Volkskultur 4.0: Eine Positionsbestimmung, endet in wenigen Wochen. Wir werden es mit einem Round Table beschließen, an dem auch der erfahrene Informatiker Herbert Maurer teilnimmt.

Er ist einerseits sehr sachkundig, was Codesysteme angeht. Er steht andererseits für das Projekt "Mensch und Maschine", das einen speziellen Fokus auf Volkskultur hat. Um es noch einmal zu betonen, das Gehen, Fahren und Verweilen hat im öffentlichen Raum eigentümliche Verknüpfungen.

Die Code-Systeme, mit denen der öffentliche Raum bespielt wird, legen eine spezielle Betrachtung nahe, bei der wiederum ein Augenmerk auf das Wechselspiel zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst sehr vielversprechend wirkt.

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Aus diesen Zeilen mag man den Schluß ziehen: Wir haben nun ein kleines Netzwerk inspirierter Personen, die sich über diese Themenstellung verständigen und dabei ihre individuell unterschiedlichen Interessenschwerpunkte zur Wirkung bringen.

-- [Jede Menge Volkskultur] [Mensch und Maschine] --


coreresethome
22•17