log #547: konvergenz

Ich hab im Eintrag #545 eine Veranstaltung zum Thema 20 Jahre Energieregion Weiz-Gleisdorf erwähnt. Dabei war auffallend, daß Kultur nur am Rande des Randes erwähnt wurde, obwohl sich seit 1999 kontinuierlich kulturelle Projekte in der Region darstellen lassen, die keineswegs bloß ein Fortschreiben alter Praktiken waren.

Ist es wichtig, das zu bemerken, herauszustreichen?

Es ist auf jeden Fall erstaunlich, daß Politik und Verwaltung nichts darüber berichten, wie in einem markanten gesellschaftlichen Bereich, dem Kulturbetrieb, das Bottom up-Prinzip ernst genommen wurde; jenes Prinzip, das die Bedingung zum Budgetbezug in etlichen Förderprogrammen ist. So auch bei LEADER-Mitteln, denen eben diese Energieregion Weiz-Gleisdorf erhebliche Kofinanzierungen verdankt.

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Pressekonferenz in Schloß Freiberg

Ein Hauptgrund dafür ist wohl, daß das Gros aktiver Kulturschaffender keinen Wert auf diese differenzierte Betrachtung des regionalen Kulturgeschehens legt. Damit ist von der Basis her der Retro-Kurs zurück in kulturpolitische Gegebenheiten des vorigen Jahrhunderts angelegt. Das zeigt sich dann beispielsweise in solchen Unschärfen.

Es gibt der Kulturpolitik die günstige Gelegenheit, keine neuen Optionen erschließen zu müssen, auch wenn die Welt sich gerade fundamental ändert und daher alte kulturpolitische Modi keinerlei Zukunftsfähigkeit in Aussicht stellen.

Damit hat zugleich die Stunde der Verwaltung geschlagen, die sich eingeladen fühlt, den Zufall und die alten Zustände zu verwalten, statt neuen Möglichkeiten auf die Spur zu helfen. Weshalb? Womöglich wegen einer Reduzierung des Aufwandes bei einer Erhöhung der Effeke.

Alles ist an seinem Platz. Nichts ist in Unordnung geraten. Sie können es daran ablesen, daß die Region kulturpolitisch so gut wie keine Innovationen vorzuweisen hat und die Kulturschaffenden sich vorzugsweise in den Formationen des vorigen Jahrhunderts zusammendrängen.

Falls zufällig doch eine neue Formation entsteht, dann vollzieht sich das meist auf die alte Art und natürlich mit Kräften, die wir schon aus anderen Formationen kennen. Wohin es etwa die junge Olarizi-Gruppe rund um den Wirt Herbert Hierzer schafft, ein junges Beispiel, wird sich erst zeigen: [link]

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Voluntary Arts: Persönliches Wohlbefinden ist von großer
privater Relevanz, aber keinerlei Kategorie der Kunst

In der Energieregion dominieren die Voluntary Arts, was von den maßgeblichen Verwaltungen favorisiert wird. Eine klare Orientierung auf Gegenwartskunst, wie beim Angerer KOMM.ST oder beim Pischelsdorfer KULM, hat bisher kein Neuland gefunden.

Das bedeutet auch, etablierte Gruppierungen auf dem Feld der "Hobbykunst" machen kaum einen Schritt, ohne sich dabei mit den zuständigen Kulturbeauftragen abgestimmt zu haben. Ob AKU in Weiz oder Malwerkstatt in Gleisdorf, da richtet man sich nach den Plänen der Verwaltung und stellt die lokale Kulturpolitik vor keinerlei knifflige Aufgabe.

Wichtige Veranstaltungen sind dann etwa so betitelt: "Bunte Farben -- Freude". Solche Vorhaben erfüllen wichtige soziale Aufgaben, haben aber mit Kunst nur so viel zu tun, als sie aus der Anwendung künstlerischer Techniken hervorgehen.

Aktuelle Themenstellungen? Kühne Blicke in eine Zukunft? Konfrontation mit brisanten Fragen? Selbstvergewisserung nach Selbstbefragung? So gut wie nichts von dem, was in der Gegenwartskunst selbstverständlich ist, kommt dabei vor; oft auch nicht einmal ein Minimum an handwerklicher Eleganz.

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Wer aus privater Passion malt, muß sich keinen handwerklichen Kriterien
stellen, kann aber auch in keinem Kunstdiskurs vorkommen

Das hat alles seine Berechtigung und braucht nicht angefochten zu werden. Es ist aber stellenweise eher ein soziales Thema, wie etwa "Seniorenanimation", erweist sich auch stets als "publikumswirksam", da die beliebten Gruppenausstellungen regelmäßig für Familienausflüge sorgen.

Wenn allerdings Politik und Verwaltung solche Genres forcieren und das für kulturpolitisch relevante Arbeit halten, haben wir eben keine Kulturthemen, die zum Beispiel bei einem Jubiläum wie 20 Jahre Energieregion Weiz-Gleisdorf vorbegracht würden.

Dabei könnte man es belassen, wenn solche kulturpolitische Orientierung nicht ihrerseits Fragen aufwerfen würde. Etwa Fragen nach der Zukunftsfähigkeit der Region. Fragen nach den kulturpolitischen Konzepten wenigstens der Städte etc.

All das in einer Zeit, da eine Vierte Industrielle Revolution schon über uns hereingebrochen ist, die nach Stand internationaler Diskussionen kaum 30 Jahre brauchen wird, um unsere Welt und ihre Gesellschaften radikal zu verändern.

Da ist es zwar immer noch legitim, wenn ganze Gruppen sich dem Thema "Bunte Farben -- Freude" widmen, aber dabei solle es nicht belassen bleiben und mindestens die Politik wäre gefordert, ZUSÄTZLICH auch ein paar andere Themen zu unterstützen.

Tut sie das? Bei der Pressekonferenz über die letzten 20 Jahre war davon nichts zu erfahren. Wird sie das tun, da wir gerade in gewaltige Umbrüche gegangen sind? Das möge sich zeigen.

P.S.:
Ich weiß schon, die Politik kann den faktor Publikumsfrequenz nicht ignorieren, denn wie sollte sie dem Gemeinderat und der Bevölkerung sonst den Einsatz öffentlicher Mittel erklären. Quote wiegt.

Aber wären Kulturpolitik und Kulturbudgets nicht auch der Schaffung eines qualitativ erwähneswerten geistigen Klimas zu widmen? Eine Arbeit, bei der Publikumszahlen völlig irrelevant sind.

-- [Kunstrasen] [Konvergenz] --


coreresethome
21•16