log #452: kunst ost Ich hab mit meinen engsten Verbündeten rund um Kunst
Ost in den letzten Jahren rund eine halbe Million Euro bewegt. Das ist für einen
kleinen Kulturverein in der Provinz ein völliges Novum. Zugleich ist es so forderd und
anstrengend, daß es für mich so kein zweites Mal in Frage kommt.
Dieses Geld ist zwar Großteils der Region
zugute gekommen, aber nur in bescheidenem Ausmaß den Kunstschaffenden direkt. So waren
die Regeln, anders hätte es diese Geschichte nicht gespielt. Wer möchte, kann auf dem Kulturserver
des Landes Steiermark nachlesen, was im LEADER-Kontext alles "Nicht
anrechenbare Kosten sind..." [link]
(Honorare für Kunstproduktion waren per Sonderrichtlinien ausgeschlossen.)
Auf dieser Seite im Web ist auch gelistet, was
zur Abrechnung alles gefordert wird, damit sie mehrere Prüfinstanzen durchlaufen kann,
ohne rausgeschmissen zu werden. Das bedeutet, kurz gefaßt, daß nicht bloß Projektkonzeption
und Einreichung höchst arbeitsintensiv sind, sobald man von der EU Geld bekommt,
geht es mit hohem bürokratischen Aufwand weiter. Und es dauert lange, bis Mittel
ausbezahlt werden.
Warum habe ich diesen Aufwand in Kauf
genommen? Weil weder die Kommunen, noch die Region, noch das Land Steiermark derzeit
Mittel haben, um Experimente zu finanzieren, die uns Innovation ermöglichen. Das! Geld!
Ist! Nicht! Da!
Wir müssen also, sollen neue Modi erprobt
werden, in die Lage kommen, auswärts Budgets zu akquirieren. Die Alternative wäre: Der
Betrieb läuft wie gewohnt, gesteuert von den etablierten Kräften. Nichts rührt sich,
nichts ändert sich. Stets haben die gleichen Leute in Politik und Verwaltung das Sagen.
Ein Beispiel:
Es hat mich 2009 sehr irritiert, als eine Gruppe von Weizer Kulturverantwortlichen sich
energisch bemüht hat, Kunst Ost abzuschaffen; siehe dazu: "Weg mit
Krusche!" [link]
Ich hab erst später verstanden, daß die
situierten Herren es nicht gewohnt waren, in ihren festen Positionen auch in Frage
gestellt zu werden; und sei es bloß dadurch, daß jemand die Dinge anders macht, um für
neue Ideen auch neue Budgets zu bekommen, ohne dabei unter ihrer Kontrolle zu stehen.
Werden Budgets knapper, scheuen sich
manche Funktionäre nicht,
Bürgerbeteiligung zu bekämpfen
Diese Ära scheint überwunden. Es lohnt aber,
sich den oben dokumentierten Fall genau anzuschauen, um zu ersehen, wie das in etablierten
Funktionärs-Nischen mitunter gespielt wird.
Das bedeutet außerdem: Wo öffentliche Mittel
knapp werden, kann es vorkommen, daß Politik und Verwaltung mancherorts -- gegen alle
Regeln -- in Konkurrenz zur Zivilgesellschaft treten. Mit diesen Regeln meine ich zum
Beispiel das Bottom up-Prinzip, eine Grundbedingung mehrerer Förderprogramme wie LEADER
und Lokale Agenda 21.
Wenn also Politik und Verwaltung
zivilgesellschaftliche Initiativen konkurrenzieren oder gar bekämpfen, verstoßen sie
gegen eine Hauptregel, nach der ihnen Fördergelder aus solchen Programmen übergeben
werden. Das heißt, sie müßten diese Gelder im Notfall zurückerstatten, weil sie die
Prinzipien der Programme verletzen. Es gibt Lokalpolitiker und Kulturbeauftragte, die sich
das offenbar bis heute noch nicht klar gemacht haben.
Gut. Nehmen wir an, solche Flausen haben sich
dennoch erledigt. Es bleiben genug Hürden, um beispielsweise mit LEADER-Gelder
arbeiten zu können. Sind alle bürokratischen Barrieren genommen, liegen zwei Bürden im
Weg herum. 1) Eigenanteil und 2) Vorfinanzierung. (Da stöhnen ganze Kommunen, wie sehr
erst ein kleiner Kulturverein.)
Ich hatte in der abgelaufenen LEADER-Periode
Glück, weil mir eine Förderquote von 70:30 gelungen war, was einige Regionalpolitiker
auf die Palme brachte, da sie von so einer Quote nur träumen konnten: 70% von der EU, 30%
Eigenaufbringung. (Später erhielten das auch andere LEADER Kulturprojekte.)
Bei der Abrechnung der Gelder lag es jeweils
am aktuellen Zustand der Verwaltung, wie viele Monate es brauchte, bis die 70% der
anerkannten Beträge von der AMA zurückkamen. Mein härtester Fall belastete das ganze
letzte Jahr, nämlich 2013, und hätte uns fast zur Strecke gebracht.
Ich hatte Gelder vorfinanziert und die Teilabrechnung
11 am 6. März 2013 dem Land übergeben. Es ging um rund 24.300,- Euro. Am 13.
August 2013 erhielt ich ein amtliches Schreiben mit der Geschäftszahl ABT09-16158/2013-4,
das besagte, die Auszahlung der Fördersumme "erfolgt über die AMA zum nächsten
Stichtag am 30.10.2013".
Das schien mir sehr hart. (Im ersten Quartal
ausgegeben, im letzten Quartal des jahres erst zurückgezahlt.) Aber es dauerte noch
länger. Inzwischen war am 25.7.2014 unsere Teilabrechnung 12 rausgegangen; auch
über mehr als 20.000,- Euro.
Die Verwaltung konnte den erstgenannten Termin
nicht halten, das fällige Geld war dann am 15.11.2013 auf dem Konto. Mitte November!
Ein ganzes Arbeitsjahr vorfinanzieren zu müssen kann einen Obmann und freischaffenden
Künstler in den Ruin treiben. Damit wäre auch das Projekt kurz vor Abschluß fast den
Bach runtergegangen.
Eine Situation, in der ich private
Unterstützung auftreiben mußte und auch Gleisdorfs Bürgermeister Christoph Stark zum
Glück nicht untätig zusah. Das bedeutet ferner: Statt ein Maximum an Zeit mit meinen
primären Kompetenzen als Kulturschaffender zu arbeiten, fraßen Akquise und Bürokratie
immer mehr von der verfügbaren Arbeitszeit, was das Projekt natürlich schmälerte.
Sowas bedeutet faktisch: Verbrennen von
öffentlichem Geld.
Ich erzähle das so ausführlich, weil ich
klar machen möchte: Geld ist eine Ware, die zu beschaffen Ressourcen kostet.
Ideen, Zeit, Arbeit und ständiger Know how-Gewinn müssen investiert werden, um solche
Budgets zu holen.
Damit will ich vor allem etlichen meiner
Kolleginnen und Kollegen deutlich mitteilen: Wenn Ihr solches Geld nutzen wollt,
müßt Ihr auch etwas zur Akquise beitragen!
Es kann nicht sein, daß ein, zwei, drei
Kunstschaffende ihr eigenes Werk zurückstellen, um Gelder für Kunstprojekte in der
Region aufzutreiben, diese dann aber an andere Kunstschaffende weiterreichen, welche
ihrerseits derweil lieber noch einen Text schreiben, ein Bild malen, eine Skulptur
fertigen, als diese elende Drecksarbeit der Akquise und Abwicklung zu machen.
Es kann auch nicht sein, daß ein paar wenige
Leute das ganze persönliche Risiko solcher Geldbewegungen tragen, während andere nur den
Fruchtgenuß im Auge haben. Darum werde ich auf jeden Fall in naher Zukunft öfter fragen:
Was gibst Du dafür? Quid pro quo?
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