log #441: the track: axiom | 2014

Ich habe schon einmal im bisherigen Projektverlauf einen "Buch-Raster", ein Netzwerk der Bücher angelegt, weil ich eine Ebene schaffen wollte, auf der deutlich werden kann, daß ich selbst andauernd zwischen einer Welt der Bücher, der Literatur und dem Leben im analogen Raum hin- und herpendle.

Bücher und Literatur sind hier bewußt deparat genannt, weil mich beides fesselt; Texte, aber auch Bücher als Gegenstände, vorzugsweise gebrauchte, gelesene Bücher.

Der "Grid of Books" im Abschnitt "The Junction" ergab in sich eine eigene Erzählung, eine symbolische Verknüpfung des gesamten Abschnittes. Dabei habe ich Menschen, die meinen Weg kreuzten, laufend eingeladen, zu einzelnen Büchern eine Geste des Schreibens einzubringen.

Vieles davon, Gesten und Posen, sind über den vorigen Grid im Web noch auffindbar. Die Geste des Schreibens, Text, Bücher, das Leben im analogen Raum... In dieser Anordnung sah ich ein Kräftespiel ausgedrückt, das wir in unserer Kultur seit Aristoteles als ein Verhältnis von Virtualität zu Aktualität verstehen.

-- [Grid of Books] --

Wenn ich nun für den aktuellen Projektabschnitt einen neuen "Buch-Raster" anlegen werde, dann sollte wohl jenes Buch als erstes angeführt sein, von dem ich damals ausging, um im Jahr 2000 das Netzkunstprojekt "House: Über das Fremde und die Peripherie" zu realisieren.

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Kleiner Einschub: Ich hatte dem Buch später eine Ringöse verpassen lassen, weil ich es temporär zum Teil deiner Installation machte; die Erstfassung meiner "letzten Bibliothek".

Der Autor des Buches war zugleich auch mein Kooperationspartner in der Arbeit an diesem Vorhaben. Ich glaube mich zu erinnern, daß mir Walter Gronds Buchmanuskript schon zur Verfügung stand, bevor sein Roman "Old Danube House" auf den Markt kam.

Ich hatte damals auch ein, zwei Schachteln von Materialien zur Verfügung, allerhand Publikationen und Gegenstände aus dem Prozeß seiner Recherche zum Roman. In meinem Logbuch-Eintrag vom 28. November 2013 ist kurz skizziert, wie das alles angelegt war: [link]

Das Projekt ist im Internet noch bruchstückhaft vorhanden. Ich konnte keine komplette Version eines Projektabschnittes auf alten Datenträgern wiederfinden. Es gibt übrigens eine Dissertation, die darauf stellenweise eingeht.

Die Arbeit "Literarische Publikationsformen im World Wide Web" von Andrea Ghoneim ist online verfügbar [PFD-Dokument] und läßt annehmen, daß sie eine Komplettversion von [House] kannte.

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Eine andere Publikation bezüglich jener Zeit und (auch) unseres Projektes ist gerade erst ein Jahr alt. Renate Giacomuzzi hat "Innovation als Tradition am Beispiel österreichischer Literaturprojekte im Netz" [link] von einem Vortrag abgeleitet: "Lit.net. Austria. The net as theme, aesthetic paradigm and communicative tool in literary Austria".

-- [House: Über das Fremde und die Peripherie] --

Für mich sind solche Blicke zurück, die über eine Metaebene führen, heute eher kurios, weil das irgendwie die Distanz zu diesen Vorkommnissen fast noch vergrößert; woran ich allerdings nichts auszusetzen habe.

Für den Augenblick bleibt wichtig, daß "the track: axiom | 2014" eine opulente Vorgeschichte hat, deren Initialereignisse über Gronds Roman schon auf dem Balkan angesiedelt waren.

Ich hab damals freilich noch keine Vorstellung gehabt, wie tief mich mein eigenes Projekt-Konzept in den gewählten Zielbereich bringen würde, daß also tatsächlich jenseits des Romans und hinter dem Netzkunstprojekt eine Passage in das reale Leben sich öffnen würde, gleich einem Korridor, den ich durchschreiten könnte, um dann selber dort zu sein.

Genau das ist geschehen. Was Grond in den Recherchen zu seinem Buch aufsuchte und im literarischen Werk abstrahierte, hatte einen Fortgang an realem Leben auf dem Balkan, dessen Teil ich mit einem Teil meiner Möglichkeiten geworden bin.

Das läßt sich auch auf symbolischer Ebenen belegen. Zentrales Ereignis des aktuellen Projektes ist mein Dialog mit dem Künstler Selman Trtovac, in dem wir unter anderem auszuloten beginnen, was wir über die Position Kunstschaffender in diesen Gesellschaften zu wissen glauben.

Ich verwende dabei bewußt den Plural, weil mir nicht einleuchten würde, die serbische Postkriegsgesellschaft und die österreichischen Wohlstandsgesellschaft als selbes Feld zu betrachten.

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Selman hat eben ein Foto gepostet, das ihn 1989 in Tuzla zeigt; als Soldat mit Maschinengewehr. Es gibt von mir ein Foto im etwa gleichen Alter, weiter zurückliegend, ebenfalls mit Maschinengewehr. (Man vergleiche die Posen, ein Kommentar erübrigt sich hoffentlich.) Größere Ansicht: [link]

Einer der Punkte dabei: Während vor Selman ein realer Krieg lag, lag hinter mir der von Legenden und allerlei Lügen überlagerte Krieg meiner Leute. Was uns heute ausmacht, ist fraglos von den recht unterschiedlichen Konsequenzen genau dieser Dispositionen geprägt.

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