log #405: smart setting In einem
ausführlichen Gespräch über kulturelles Engagement und relevante Themen hörte ich von
der aus Neuseeland stammenden Helen Wieser recht bald die Bemerkung, für sie müsse es in
diesem Engagement beizeiten "hands on" heißen. Hand anlegen.
Praktischen Tun.
Helen Wieser, Initiatorin von
"Transition Oststeiermark"
Derlei korrespondiert mit meiner Erfahrung, daß etwa
kollektives Kulturschaffen nur dann wächst und Kooperationen nur dann sich festigen, wenn
man sich recht bald zu einem gemeinsamen Tun zusammenfindet, reden allein läßt die
Vorhaben bald verwehen.
Damit meine ich nun keinen verhuschten Aktionismus, der die
Reflexion umgehen möchte und annehmen läßt, im flotten Strampeln entstünde quasi von
selbst irgendetwas von Dauer oder von Gemeinschaft.
Ich meine auch keine Marktschreiei, die etwas behauptet,
was zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal in Gedanken nachvollziehbarer Form angenommen hat.
Das ist meist jenes Geblöke, wie es uns eine Massenkultur
unter dem Banner der Public Relations als realistische Mitteilung vorgaukelt, was
kaum mehr bedeutet, als daß wir uns den Schlund mit Surrogaten vollstopfen, bis keiner
mehr das Maul aufkriegt, weil er es nicht mehr zukriegt.
Meine Arbeit als Kunstschaffender folgt ihren ganz eigenen
Fragen- und Aufgabenstellungen. Meine Arbeit als Kulturschaffender ist soziokulturellen
Zusammenhängen gewidmet.
Meine Reflexionen dieser Zusammenhänge standen in
jüngster Zeit auch unter dem Einfluß des Denkens eines Kanadiers. Simon Brault prägte
den Satz "No Culture, no Future". Sein Zeichen und seine Inputs ziehen
sich durch mein Projektlogbuch und diverse Publiktationen der letzten Jahre.
Beim Canada Council for the Arts heißt es über
ihn: "He has been Vice-Chair of the Canada Council for the Arts since March 31,
2004. In January 2009, his term was renewed for another five years, effective March 31,
2009 to March 30, 2014.
Für mich war auffallend, daß seine Ansichten zwar bei uns
verfügbar sind, aber in meinem Milieu so gut wir gar nicht rezipiert wurden. Das ist vor
allem deshalb erstaunlich, weil mich Braults Überlegungen zu einer Zeit erreichten, als
bei uns gerade die Kulturbudgets in die Keller fuhren.
Was die steirische Intelligenz dem entgegenzuhalten wußte,
war vor allem Geschrei, leider nicht mehr. Leute wie Brault hatten dagegen ziemlich
präzise Befunde erstellt und daraus scharfe Schlüsse gezogen, die zwar primär Kanada
betreffen, die aber auch für unsere Situation Anregungen enthalten und Strategien zur
Debatte stellen. Siehe dazu auch Log# 354!
Im Österreichischen Denken ist der Einsatz für eine
zivile Öffentlichkeit, die eben nicht vom Staat dominiert wird, kaum mit Tradition
behaftet. Seit Kaiser Josef II kam die Reform immer von oben, nicht von der Basis; also top
down statt bottom up.
Wir kennen in Österreich keine Revolutionen. Das bisserl
Unruhe im Wien vom Oktober 1848 kann dabei unberücksichtigt bleiben. Diese Aufraffung
wurde flott und blutig niedergeschlagen. (Einer der maßgeblichen Kommandeure dieser
habsburgischen Aufräumaktion, der Ban Josef Jelacic, ziert meines Wissens derzeit einen
kroatischen Geldschein, was ich retrospektiv ziemlich amüsant finde.)
Simon Brault (Foto: Maxime Côté)
Die Ansichten von Simon Brault halte erscheinen mir eine
ausführliche Diskussion wert, aber in derlei Richtungen schweigt mein Milieu lieber. Wir
reden also nicht darüber, was wir uns anno 2012 unter ziviler Öffentlichkeit, unter
öffentlichen Diskursen ohne staatliche Dominanz, auch unter angemessenen Positionen
Kunstschaffender vorstellen.
Summiere ich einige Debatten, kommt im Grunde ein
Künstlerinnentyp heraus, der zu hundert Prozent vom Staat finanziert = abhängig ist, im
Selbstverständnis rebellisch bis revolutionär und in der sozialen Attitüde dem Motto "Kümmert
Euch um mich, aber laßt mich in Ruhe" verschrieben ist.
Das ist natürlich kultur- und demokratiepolitischer
Quatsch. Aber solcher Mumpitz bleibt unangefochten, wenn a) konsequente Reflexion und b)
öffentliche Diskurse einfach entfallen.
Egal! Wir haben eine Demokratie, da muß es einem
freistehen, Sackgassen rauf- und runterzuspazieren.
Mir erscheint derzeit beachtenswert, daß wir nun seit
Jahren eine konsequente Abwertung von Wissensarbeit beobachten können. Dazu kommt, daß
eben diese Abwertung -- nebst einiger anderer Gründe -- dem Pressewesen verheerende
Kerben schlägt.
Das heißt, diese Gesellschaft nimmt enorme
Kompetenzverluste in Kauf und verzichtet auf weite Bereiche einer qualifizierten, zivilen
Öffentlichkeit mit angemessenen öffentlichen Diskursen.
Dazu paßt, daß wir eines der teuersten Bildungssytsme
Europas mit ziemlich miserablen Ergebnissen haben und Österreich gerade im
internationalen Korruptionsindex einen neuen Tiefpunkt erreicht hat.
Ich beklage das nicht weiter und würde jede Art von
Kulturpessimismus für einen Ausdruck von Feigheit halten. Ich stelle einfach fest, daß
es derzeit für Kultur- und Kunstschaffende reichlich zu tun gibt, um diesen Tendenzen
einer durchkommerzialisierten Massenkultur etwas entgegenzustellen.
Es schert mich wenig, ob diese Bemühungen unterbezahlt
oder unbezahlt sind, ich halte sie für notwendig, weshalb sie stattfinden müssen. Und
wenn uns dafür die Ressourcen zu knapp werden, dann sollten wir eben neu klären, welche
Formen von Kooperation möglich sind, welche Synergien sich herstellen lassen, welche
Strategien uns helfen, allfällige Standrot- und Ressourcennachteile zu kompensieren. Ab
da gilt dann, um es mit Helen Wieser zu sagen: "Hands on!"
[smart setting]
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