log #397: maschine

„Was wollen wir eigentlich mit der ‚basis-kunst’?" fragte Künstler Richard Kriesche vorab in seinem einführenden Vortrag, um den zentralen Inhalt als weitere Frage vorzulegen: „Was sind die Fundamentaldaten der Kunst unter globalen Bedingungen?"

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Das hat im Kielwasser ja auch die Frage, wie sich ein kleiner Ort abseits des Landeszentrums zu Welt verhalten könne, deren vor allem wirtschaftliche Globalisierung heute nicht mehr illustriert werden muß, weil wir sie alle längst praktisch erfahren haben.

Diese Überlegung rührt auch an den Auslösern großer Unruhe in jüngster Vergangenheit, da 2008 etlichen Geschäftsleuten im Banken- und Immobilienwesen ihre Machenschaften um die Ohren geflogen sind, was uns weltweit bis in den letzten Winkel mit Nachteilen getroffen hat.

Kriesches Analyse besagt, die Wirtschaftskrise sei keine Wirtschaftskrise, sondern, auf europäische Verhältnisse bezogen, „eine Bewußtseinskrise." Die eigentliche Krise seien „die durch und durch entstaatlichten Kapitalströme, auf die kein Zugriff mehr vorhanden ist."

Damit mag schon deutlich werden, daß es unter uns Kunstschaffenden ganz selbstverständlich ist, sich mit den Rahmenbedingungen der Kunstpraxis, also mit dem Zustand der Welt, zu befassen. Unsere Voraussetzung in der Kunst sei eine Abkehr von der Marktlogik. Kriesche: „Wie gleich sich die Wirtschaft mehr um sich selbst interessieren müßte."

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Damit meinte er: „Eine Wirtschaft, die selbst Amok läuft und sich selbst bricht", indem Realwirtschaft und Finanzwirtschaft von einander abgekoppelt wurden, sei mit jenem Kunstbetrieb vergleichbar, wo sich die Freiheit der Kunst abgekoppelt habe „von der praktischen, kompatiblen" Kunst.

Hier kritisiert er unser Metier scharf, brandmarkt eine Kunst, kompatibel „für alle Regime, seien sie Demokratien, seien sie Diktaturen, seien sie autoritäre Systeme". Es gehe da nur mehr um eine einzige Frage: „Wie kompatibel ist die Kunst, um im Marktgeschehen reüssieren zu können?"

Im regionalen kulturellen Engagement kann genau das also auch nicht unsere Sache sein: „Eine Kunst, die klaglos, widerspruchsfrei, kompatibel mit allen Konsequenzen, die in den Köpfen der Menschen sind, existieren kann" werden wir nicht zum Gegenstand unserer Bemühungen machen.


In eben solchen Zusammenhängen ortet Kriesche die Verfehlungen gängiger Kulturpolitik: „Faktum ist, […] daß Kunst als Symbolfigur einer freien Gesellschaft, von freien Bürgern, in der positiven Instrumentalisierung für eine freie Gesellschaft von der Politik nicht mehr zur Kenntnis genommen wird."

Hier markiert Kriesche einen Aspekt, in dem wir die Politik wieder fordern müssen, den Leuten explizit und detailliert etwas abverlangen: „Das Desinteresse der Öffentlichkeit legitimiert die Politik sich zurückzuziehen." Die Politik würde unterstellen: „Mit avancierter Kunst ist kein Staat mehr zu machen."

Da treffen wir Kunstschaffende uns mit all jenen, denen eine Demokratie auf der Höhe der Zeit wichtig ist. Aus genau dieser Orientierung entstehen dann auch sehr konkrete Aufgabenstellungen im Zusammenhang mit Fragen der eigenständigen Regionalentwicklung.

Das heißt, da kommen wir von grundsätzlichen Betrachtungen und Deutungen des allgemeinen Status quo zu dem, was auch die erklärten Aufgaben von kunst ost und von styrian contemporary sind. Damit meine ich die inhaltliche Arbeit an Grundlagen für die Bewältigung der aktuellen Umbrüche, die uns in diesem Lebensraum demnächst völlig neue Verhältnisse bescheren werden, von denen wir aber noch nicht sagen können, wie sie beschaffen sein werden.

Kriesche betrachtet das im Verhältnis der Orte und der Region nicht zu Graz, sondern zur Welt. Im mehrjährigen Vorhaben „basis-kunst" gehe es darum, „das Globale erdenschwer in einem Standort zu verankern und diesen mit einem Standpunkt geistig aufzuladen."

Es sei, sagt er mit Querverweis auf ein World Wide Web, unsere Aufgabe, „die Erdung des Netzes in der Tiefe des Dorfes" zu erwirken, eines Ortes „zum Beispiel namens Gleisdorf, einem zu sich findenden Global Village."

Diesen möglichen Prozeß nennt Kriesche „Translokalisierung."

Sie können sich einen Teil seiner Ausführungen in unserem Dokumentarteil anhören, dazu ist eine Sounddatei im mp3-Format verfügbar: [0017_basis_kunst01] (9:05, MP3, ca. 11 MB)

P.S.:
Zum grundsätzlichen Zugang bezüglich solcher Fragestellungen empfehle ich auch ein kleines Tondokument, in dem Michael Narodoslawsky vom „Institut für Prozess- und Partikeltechnik" (TU Graz) bei einer unserer Sessions erläutert hat, was er für Wissenschaft halte: [narod01] (4:16, MP3, ca. 8 MB) [kontext]

Zur Kritik am Kunstbetrieb („Kunst und Quote") siehe auch die Video-Miniatur von einer unserer Serbien-Sessions (2008) mit den Ausführungen des Grazer Künstlers ILA: „Jetzt ist die Frage, was ist die Aufgabe der Kunst für die Zukunft…" [link]

[übersicht] [axiom]


coreresethome
37•12