log #385: kunst ost

Die soziokulturelle Drehscheibe kunst ost ist eine Konsequenz aus der langjährigen Befassung mit Fragen nach sinnvoller Kombination von und adäquaten Wechselspielen zwischen "Realraum" und "Online-Welt", zwischen realer soziale Begegnung und Telekommunikation, Telepräsenz, Teleworking.

Als Internetzugänge noch sehr teuer waren, das liegt rund 20 Jahre zurück, haben wir frühen "Netizens" als subkulturelle Wesen gegolten und uns wohl auch in diesem Sinn verstanden, inszeniert. (Heute ist das alles Mainstream.) Hinzu kam: Jeder Schritt in die Netze vollzog sich bei laufenden Telefongebühren, die anfangs schnell sehr hoch werden konnten.

Ich mußte mich damals in Wien einwählen, was den Tarif für Ferngespräche aktivierte. Später gab es Einwahlknoten quer durch Österreich, so auch in Graz, was mir von Nitscha aus Ortstarife ermöglichte.

Durch "Bulletin Board Systems" gab es Anfang der 1990er-Jahre dann preiswerte "Gateways", über die wir wenigstens Email an EINEN der Online-Dienste, nämlich das WWW, übergeben konnten. Das "World Wide Web" war im direkten Zugang Geschäftsleuten, Universitäten, Kommunen vorbehalten. Für jemanden wie mich ist es anfangs viel zu teuer gewesen. (Schreckensruf: "Standleitung".)

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Meine Chroniken vermerken meine erste Online-Session bei einem Symposion von Amnestiy International am 5. Oktober 1985 in Graz: [link] Das war eine literarische Aktion gemeinsam mit Peter Köck und Wolfgang Siegmund.

Ich hab ab 1997 Zugang zum WWW gehabt und mit dem "Kunstnetz" erste Erfahrungen gesucht, Hypertext und Telepräsenz für kulturelle Vorhaben zu nützen: [link] Zwei Geschäftsleute hatten mir diese Möglichkeit eingeräumt und Ressourcen dafür erübrigt.

KUNSTNETZ

Die Erprobung solcher Optionen hat erst Ende der 1990er zu einigen kulturellen Onlineprojekten geführt, die in der Steiermark aber noch keine Websites im heutigen Sinn waren (wenn man von Gerfried Stockers Projekt und einigen x-arch-Sachen absieht): [link]

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Bevor also teure Webpräsenzen greifbar wurden, mußten andere Möglichkeiten erprobt werden, um auf elektronischem Wege zusätzliches Terrain für die Kultur zu gewinnen. Über den Kontakt mit der Coder- und Demo-Szene in der zweiten Hälfte der 1990er hab ich bei einem "Disk-Mag" einsteigen können. Das war eine Art Illustrierte auf Disketten. Die Disketten, zuletzt 3,5 Zoll, waren leicht und billig zu kopieren, zu verbreiten: [link]

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Das heißt, die Inhalte konnten im Web deponiert werden, sachkundige Leute mit erschwinglichen Zugängen luden sie vor Ort herunter und verteilten sie von da über Disketten weiter. Aus einem "Edi" zum Thema Beiträge:

- Die Diskette muß zuerst mit DOS-Format frisch formatiert werden, damit eventuelle Viren vernichtet werden.

- Die Datei mit dem Artikel muß eine reine MS-DOS-ASCII-Datei sein. Die Zeilenbreite darf außerdem höchstens 78 Zeichen betragen. [Quelle]

Den "Hugi" gibt es übrigens immer noch: [link] All das bedeutet AUCH, daß ich stets in der Massenkultur verankert war, wo die Grenzen hin zum Trivialen immer schwimmend sind. Dort traf ich (im kulturellen Kontext) seinerzeit nicht auf das Bildungsbürgertum oder auf akademisch graduiertes Personal. Ich bewegte mich, selbst einst ein Lehrbub, in vertrauten Milieus.

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In der 10. Kalenderwoche 1998 war ich dann dank eines Sponsors (Walerich Berger) mit einem Kulturprojekt im WWW präsent: [link] Daraus wurde das elektromagnetische Kulturzentrum: [link] Es war eines der ersten derartigen österreichischen Kulturprojekte im Web, die abzuzählen damals keine zehn Finger nötig gewesen wären.

Seit der Zeit ist in der Weiten Welt des Web mehr als eine Blase geplatzt, wobei sich vieles radikal geändert hat und aus dieser Technologie auch große Vorteile erwachsen sind; vor allem für Kulturschaffende in der Provinz.

Aber die Dampfplauderer, Blender, Schmähführer, Aufschneider vom Typ "Autoschnalzer" sind nicht verschwunden. Ich hab erst kürzlich bei einer Kulturkonferenz in Gleisdorf so einen Typen erlebt, der uns warmes Wasser und heiße Luft andrehen wollte, indem er uns live durch eine Facebook-Präsenz führte und Dinge erzählte, wovon ihm erfahrene Kulturschaffende bestenfalls 20 Prozent abkaufen würden.

Fußnote:
Statt einem Vortrag die Leute durch die Pages einer Website zu schleppen gehört zum Letztklassigsten, was man seinem Publikum antun kann. Es muß jemand ein totaler Rookie sein, um seine Webpräsenz auf die Art zu nutzen. (Stichwort: Das kann ich zuhause selbst durchblättern!)

Weiter:
Heute kombiniere ich traditionelles HTML (Die v@n-site), ein Content Management  System (Die kunst ost-site) und Facebook-Präsenzen, um eine komplexe KOMMUNIKATIONS-SITUATION zu gestalten. Aber das Primäre Ereignis ist und bleibt die reale soziale Begegnung im "analogen Raum", die ich eben auf diese und jene Art in mein "kühles Extrazimmer", das Internet, verzweige.

Ich muß nach all den Jahren, eigentlich: Jahrzehnten, der Arbeit mit dieser Technologie auf der Behauptung bestehen, daß die Webpräsenz ohne diese primäre Ereignisebene in realer Begegnung nichts bedeutet und auch nichts bewirkt.

Man wird dazu eventuell einige Ausnahmen finden können, die aber eine grundlegende Bedeutung meiner Behauptung nicht entkräften. Wer in realer Begegnung nicht zu kommunizieren weiß, womöglich auch nichts zu kommunizieren hat, dem oder der ist das alles bloß ein Mäntelchen, um Hohlheit zu verbergen.

+) kunst ost auf facebook
+) Mobilitätsgeschichte auf facebook

[kunst ost]


coreresethome
24•12