log #380:
kunst.rasen: kulturpolitikIch hab auf Blatt #377
notiert: "Warum machen meine Leute stets solche Geheimnisse aus ihrer konkreten
Berufssituation?" Es sollte eigentlich allgemein klar sein: Kunstschaffende, die
in Österreich ein adäquates Jahreseinkommen durch ausschließlich künstlerische Arbeit
erreichen, sind die absolute Ausnahme, sie KÖNNEN kein soziales Rollenmodell abgeben.
Aber was dann?
Ich habe auch erwähnt: "...in meiner Situation
müssen jedes Quartal Ergebnisse da sei, dazu gibt es keine Alternative." Außer
ich würde als Alternative völlige Verarmung, folglich umfassende Abhängigkeit in Kauf
nehmen.
Bedenkt man die aktuellen Belastungssituationen im
Kunstbetrieb, die daraus resultierenden strukturellen Defizite und kulturpolitischen
Probleme, wäre es eigentlich naheliegend, daß wenigstens ein Teil der Branche darüber
Klarheit schafft, wovon unser Metier genau handelt, wie uns Beruf ausgestattet ist und
welche Konzepte es in der Praxis gibt, um diesem Beruf -- Künstlerin/Künstler --
nachzugehen.
Aus der konventionellen Arbeitswelt erfahre ich etwa via Facebook
Positionen wie: "Baaaaaaald ist Wochenende!!! Wen freut das?" oder:
"Wer sich aufs Wochenende freut, drückt mal schnell auf "Gefällt
mir"! :)"
(Quelle: "Der Standard")
Diese Art beruflicher Orientierung ist für unser Feld ohne
Inspirationskraft. Ich erlebe auch die Kuriosität, daß mir zunehmend von der nahe
Pensionierung vorgeschwärmt wird; selbst von Leuten, die im Kunstkontext da oder dort
angestellt sind.
Ich werde in Kürze 56, da verbliebe mir also formell
gesehen in der Berufswelt kein Jahrzehnt mehr. Hier der gesamte EU-Vergleich: [link] Ich halte das in meinem Fall natürlich für
keine realistische Option, denn auch das hieße wahrscheinlich völlige Verarmung.
Zurück zu den unscharfen Berufsbildern. Die
kulturpolitische Debatte rund um das Grazer Künstlerhaus macht ja einiges
sichtbar; zum Beispiel, daß vieles nicht sichtbar werden will. Ich hab in "Niemand
hat mich gerufen" [link] schon notiert, daß etwa dieses andauernd hergebetete
"WIR", welches da zum Beispiel Richard Frankenberger beschwört, reines
Phantasma ist.
Aber nicht einmal vom Vorstand der IG Kultur Steiermark
ist zu erfahren, a) welche kulturpolitischen Positionen dort bestehen und b) welche
Berufsbilder dort vertreten sind. Der öffentliche Auftritt des Vorstandes könnte kaum
minimalistischer sein: [link]
Etwas wie kulturpolitische Mission Statements dieser Leute
sucht man vergebens. Falls ich nicht zufällig diese oder jene Person des Vorstandes
kennen würde, ich wüßte überhaupt nicht, wer da mit weelchen Intentionen ordiniert.
Die Vorsitzende Anita Hofer spricht von sich als
Künstlerin, als Präsidentin (KIG!) und
als Führungskraft. Eva Ursprung ist Künstlerin und Frontlady des Kollektivs "Schaumbad".
Stefan Schmitzer ist Autor. Joachim Hainzl ist Historiker. Aus! Mehr weiß ich nicht und
erfahre ich auch nicht.
Freelancers, Werksverträgler, Projektleute,
Vertragsbedienstete, Beamte, Angestellte, Studierende mit und ohne Stipendien,
Notstandshilfebeziehende, ich weiß nicht, für welche Position(en) hier gesprochen wird,
vor welchen Erfahrungshintergründen hier agiert wird.
Die Serie "Kulturpolitik - quo vadis?"
in der "Kleinen Zeitung" bringt mir immerhin einigen Aufschluß. Da
zeigt sich eine sehr starke Tendenz unter den Leuten, mehr Regulierung, mehr
Institutionalisierung, mehr staatliche Absicherung (also auch Abhängigkeit) zu erwirken.
Das klingt irritierend, ist aber mit Ausagen belegbar.
Dieser Tenor hat mich sehr überrascht. Ich werde das noch
ausführlicher darstellen und mit Zitaten illustrieren. Aber zur grundlegenden Frage "Wie
und wovon lebe ich als Künstler" tragen die meisten derzeitigen Aktivitäten
eher nichts bei. Also bleibt das Berufsfeld mit seinen möglichen Berufsbildern unscharf.
Also bleiben wesentliche Grundlagen kulturpolitischer Verhandlungen unscharf.
Auch die Themenwebsite und Diskursplattform der Grazer
Partie [link] ist
nach wie vor ein toter Briefkasten. Nicht einmal selbstgewählte Aufgaben werden in einem
begreiflichen Zeitrahmen bewältigt: "Wir rufen ALLE steirischen Künstler*innen
auf, sich an diesem Prozess zu beteiligen und sich zum gemeinsamen brainstormen,
diskutieren und konzipieren..." (Also, wenn da -- nach all den Monaten --
wenigstens fünf bis siebeneinhalb Statements von Kulturschaffenden zu finden wären!)
So betrachtet muß das derzeitige Resümee aus einer
Betrachtung des Berufsfeldes lauten: Wir wissen selbst nicht, womit wir es bei uns zu
tun haben.
Etwas genauer: Wir wissen nicht, wer und was wir sind,
falls jemand unter uns von mehr Leuten als nur sich selbst spricht.
Da erscheint es plötzlich plausibel, daß auffallend viele
meiner Kolleginnen und Kollegen nicht nur nach mehr öffentlichen Geldern,
sondern überhaupt nach mehr Staat rufen. Sie tun das nicht explizit, denn das
wäre in diesem Milieu extrem unpopulär. Aber sie tun es unüberhörbar...
Dem gegenüber bleibt eher unscharf, was genau nun
Kunstschaffende als Professionals sein könnten, wenn das populärste Ideal
(Jahreseinkommen nur aus künstlerischer Arbeit) am allerunerreichbarsten ist, obwohl es
anscheinend die am glühendsten verehrte Option abgibt.
[Wovon lebt der Krusche?]
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