log #345:
kunst.rasenIch hab im vorigen Eintrag die "Steiermärkische
Gemeindeordnung" zitiert, in der geregelt ist, welches Gelöbnis ein
Bürgermeister ablegen muß, um sich als Repräsentant der Republik etablieren zu können:
"Ich gelobe, der Republik Österreich und dem Land Steiermark unverbrüchliche
Treue zu bewahren, ..." [Quelle]
In Debatten dieser ganzen Sache
bekam ich zu hören, es müsse einem Bürger selbst als Bürgermeister frei stehen, seiner
persönlichen Meinung Ausdruck zu verleihen und damit auch die Verfassung in Frage zu
stellen.
Ich stimme zu. Diese Freiheit ist
nicht anfechtbar. Aber innerhalb dieser Freiheit sollten wir dann einen öffentlichen
Diskurs erleben, der problematische Positionen zur Debatte stellt. Wir sollten ferner aus
der politischen Umgebung des Mannes erfahren können, was so ein Gelöbnis taugt und
welche Konsequenzen der Bruch des Gelöbnisses haben solle.
Mir schweben da gar keine bestimmen
Konsequenzen vor. Ich würde bloß gerne wissen: Ist das alles nur leere Geste und hohle
Phrase? Oder würden andere Politiker so ein Gelöbnis auf diese wie jene Art durhaus
verpflichtend empfinden?
Auffallend war, wie viele
Menschen implizit zustimmten, sich aber
scheuten es explizit zur Sprache zu bringen.
Ein leitender Angestellter müßte
eine Firma sicher verlassen, wenn er zum Schluß käme, daß er mit einigen Prinzipien des
Betriebes nicht konform gehen mag. Aber die Republik ist keine Firma und eine einzelne
Gemeinde ist es auch nicht.
Soll ich annehmen, eine Republik sei
unter anderem eine "Wertegemeinschaft"? Dann wären ja die Bundesverfassung und
einige andere Codices Ausdruck der konkreten Vorstellung, welche Werte hier gemeint sind.
Das kann und muß natürlich stets neu geprüft, eventuell verhandelt werden. Gleisdorfs
Bürgermeister Christoph Stark schrieb auf seiner Website zur Sache:
>>Was mir bei diese Angelegenheit zuerst
eingefallen ist, waren zwei Dinge: 1. Irgendwo in der Österreichischen Verfassung steht
da etwas über Meinungsfreiheit. ...<< [Quelle]
Das ist NICHT der Fall.
Meinungsfreiheit ist kein ausdrücklicher Gegenstand unserer Verfassung. Aber es werden
dort immerhin "demokratische Freiheiten" erwähnt, denen man die
Meinungsfreiheit wohl zurechnen darf. Dagegen ist dem Thema Todesstrafe dort ein eigener
Artikel, nämlich der Artikel 85, gewidmet, der schlicht lautet: "Die Todesstrafe
ist abgeschafft."
Sensationell! Der Mann hat
Hemmungen, das Wort "Schweinerei" auszuschreiben,
während er implizit ein Statement pro Todesstrafe abgibt.
Wär's das jetzt? Nein. Die Gemeinde
Albersdorf, welcher Schmierdorfer vorsteht, gehört zur "Kleinregion
Gleisdorf" und zur "Energie-Region Weiz-Gleisdorf". Aus
keiner dieser Formationen kommunalen und regionalen Lebens gab es eine öffentliche
Stellungnahme zum Vorfall. Wozu bekennt sich also nun wer unter den Funktionstragenden
dieser Institutionen der Oststeiermark?
Vor einem Jahrzehnt widmete man sich
in Gleisdorf der europäischen "Charta der Grundrechte". Bürgermeister
Stark notierte das unter der Rubrik "Umgesetzte Projekte" [link]
>>Die Charta der Grundrechte erkennt eine Reihe persönlicher,
bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rechte von EUBürgern sowie in
der EU lebenden Personen an und verankert sie im EU-Recht.<<
In dieser Charta umfaßt der
Artikel 2 unter dem Titel "Recht auf Leben" gerade einmal zwei Punkte,
die zu verstehen eigentlich allgemein gelingen sollte:
(1) Jeder Mensch hat das
Recht auf Leben.
(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Von Ausnahmen ist hier ebenso wenig die Rede wie in der
Bundesverfassung Österreichs oder in der "Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte". Die Charta kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden: [link]
Es sei also festgehalten, ich habe keinen Einwand, daß es
Menschen frei steht, diese Prinzipien und Wertekataloge zu kritisieren, auch anzufechten.
Aber wie können Funktionstragend der Politik weitgehende kommentarlos darüber
hinweggehen, wenn das geschieht?
[kunst.rasen]
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