log #344: kunst.rasen

Ein sadistisches Wunschpaket als Antwort auf Verbrechen? Ein potenzieller Lynch-Mob als juristisches Expertengremium? Die Wiedereinführungder Todesstrafe für einen bestimmten Täterkreis? "Wenn auch du gegen Kindesmißbrauch bist", dann gib ruhig die Zivilisation auf?

Mit einigem guten Willen kann man noch annehmen, daß hier fürr Augenblicke mit jemandem die Emotionen durchgegangen sind. Das kann ja dazu führen, daß einem Fehler passieren und daß man dabei übersieht, was man lostritt. Mag sein.

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[GESAMTANSICHT]

Aber nach einigen Tagen könnte man auf die Idee kommen, daß weder Sachargumente diese Position haltbar machen, noch daß a) unsere Gesetze und b) unsere ethischen Übereinkünfte das Promoten der Todesstrafe zulassen. Ich bin mit meinem ersten Einwand nicht weit gekommen:

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Außerdem mußte ich mir in der Folge mitteilen lassen, ich wäre wohl FÜR psychisch kranke Straftäter, ich sei wohl auch einer, der "nur an die Täter und nicht an die Opfer denke". Wer mir das schrieb, hat offenbar keinen Moment überlegt: Warum sollte er, Krusche, das sein? Es ging auch in den folgenden Postings hauptsächlich darum, den eigenen Emotionen freien Lauf zu lassen. Die Frage nach dem Sinn, dem praktischen Nutzen und der rationalen Vertretbarkeit dieser wachsenden Orgie der Rache-Phantasien fand kaum noch Raum.

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Der Bürgermeister ließ schließlich neue "Freunde" in Hunderter-Schritten zu, darunter fast ausschließlich Befürworter seiner Position. Dabei waren ausgesprochen sadistische Gewaltphantasien wie jene des Lion H. keine Seltenheit. (Womit sich Lion H. inhaltlich ja auf die Ebene derer begibt, die er angreift.)

Das allein sollte schon ein ausreichender Hinweis darauf sein, welche "schlafenden Hunde" geweckt werden, wenn jemand den Konsens über Gewaltverzicht, wie er sich auch in unseren Gesetzen ausdrückt, attackiert, schwächt.

>>Solche perversen Schweine die sich an unseren wehrlosen Kindern vergreifen die sollten NIE WIEDER in unsere Gesellschaft integriert werden,solche Menschen kann man nicht heilen!! Es lebe die MEINUNGSFREIHEIT!!!!<<

Das schrieb etwa der bosnische Kriegsveteran Ermin J., nach Aussagen seiner Frau Denise von den Schlachterfahrungen nachhaltig traumatisiert, also offenbar höchst qualifiziert, psychologische Expertisen zu erstellen. Ein Christoph W. vertieft den oststeirischen Demokratie-Unterricht:

>>Hallo Herr Schmierdorfer! Vielen Dank fürs Adden... Möchte Ihnen auch meinen Respekt ausdrücken. Es wurde Zeit, dass endlich auch mal ein Mann in politisch höherer Position die Wahrheit sagt. Manche Menschen sind eben nicht therapierbar wie diese Perversen. Aber man darf ja in Österreich leider nicht seine freie Meinung sagen, schon ist man in den Medien.<<

Aus einer Flut solcher Meldungen und all der Zustimmung, welche hier nachlesbar wurde, mag deutlich werden, daß sich nicht nur Leute, welche sich für "Normalos" halten, nun ihrerseits an einem pathologischen Täterkreis geradezu erschreckende Gewalt- und Folterphantasien entzünden, hier wird auch die ideologische Konstruktion vom "(lebens-) unwerten Leben" restauriert. Das ist ein Stereotyp des nazionalsozialistischen Konzepts der "Rassenhygiene".

Möchte man also das anfängliche Posting des "Todesstrafen-Zitates" vielleicht als einen emotional befeuerten Fehltritt deuten, der aus Unbedachtsamkeit und vielleicht auch aus mangelnder Erfahrung mit den Web 2.0-Applikationen erfolgt ist, so verwirft das "Genehmigen" ("Adden") von einigen hundert neuen "Freunden", die überwiegend offen zustimmen, diese Annahme. Auch die Bekräftigung in der "Kleinen Zeitung" belegt nicht gerade eine Kurzschlußhandlung:

>>... aber "die Todesstrafe für Kinderschänder ist meine persönliche Überzeugung"<< [Quelle]

Wenn nun ein Repräsentant der Republik solche Ansichten nachhaltig vertritt, dann müßte ja wenigstens von seinen Amtskollegen der eine oder andere Einwand kommen. Kam aber nicht. Leider! Und das irritiert mich sehr. Ich darf daran erinnern: Nicht nur jede Bürgermeisterin, jeder Bürgermeister, sogar jeder Gemeinderat muß zum Amtsantritt ein unmißverständliches Gelöbnis ablegen. Das ist hier geregelt: "Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 - GemO" [Quelle]

§ 21 Angelobung der Gemeinderatsmitglieder

(1) Die Mitglieder des neugewählten Gemeinderates haben in der konstituierenden Sitzung folgendes Gelöbnis zu leisten: "Ich gelobe, der Republik Österreich und dem Land Steiermark unverbrüchliche Treue zu bewahren, die Bundesverfassung und die Landesverfassung sowie alle übrigen Gesetze gewissenhaft zu beachten, meine Aufgaben unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, die Amtsverschwiegenheit zu wahren und das Wohl der Gemeinde nach bestem Wissen und Gewissen zu fördern." Dieses Gelöbnis ist durch die Worte "Ich gelobe" abzulegen. (2) Ein Gelöbnis unter Bedingungen oder mit Zusätzen gilt als verweigert; die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig. (3) Später eintretende Gemeinderatsmitglieder haben die Angelobung in der ersten Gemeinderatssitzung, an der sie teilnehmen, zu leisten.

§ 26 Angelobung des Bürgermeisters und der Vizebürgermeister

Der Bürgermeister und die Vizebürgermeister haben vor Antritt ihres Amtes das Gelöbnis nach § 21 in die Hand des Bezirkshauptmannes oder dessen Vertreters zu leisten.

[kunst.rasen]


coreresethome
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