Log #79
Neuerlicher Lokalaugenschein im Gleisdorfer "MIR" ("Museum im
Rathaus"). Da wird einerseits die Ausstellung "augenhöhe" stattfinden,
mit der "next code: divan" einen großen Akzent erhält. Andrerseits wird da der
Teil II dieser Session realisiert werden.
Elfi Scharf und Richard Ludersdorfer haben ein Figuren- und Schattentheater mit dem
Titel "Die wehrhaft
Nachtigall" erarbeitet, das sich mit dem Wirken des Dichters Ottokar Kernstock
auseinander setzt. (Das ist übrigens auch ein Teilthema von "next code: break".)
Das Thema Kernstock hab ich vor Jahren schon einmal mit dem Maler Josef
Schützenhöfer bearbeitet: [link] Josef hat mich vergangene Woche besucht; er befaßt sich gerade
mit einem anderen Aspekt dieser Geschichten der Menschenverachtung. (Siehe dazu Log #1142!)
Aber! "augenhöhe"!
Für den Auftakt-Abend hat nun die Sängerin Irina Karamarkovic zugesagt. So werden wir live (und unverstärkt)
einige Eindrücke erhalten, welch exzellente Liedkultur in Südosteuropa zu finden ist.
Apropos Liedkultur! Dragan Protic von der Gruppe "Skart" war mit einigen
seiner Leute für eine weitere Session in Gleisdorf. Das Chorprojekt werden wir im
Rahmen des Festivals "steirischer herbst" umsetzen.
Noch kurz zurück zu "next code: divan". Kunstpromotorin Nina Strassegger-Tipl hat zu einer
Ausstellung geladen, die in den Räumen der vormaligen Weizer Druckerei Klampfer
stattfinden wird. Mein dafür in Arbeit befindlicher Beitrag "gläserne sätze" nimmt Bezug
auf das Lager von Jasenovac,
ein Stück fast vergessener Geschichte Südosteuropas.
Cut!
Kunstwerke als Ware und Anlageobjekte. Das habe ich im vorigen Eintrag angeschnitten. Es scheint schwierig zu sein, dieses
Thema unter Kunstschaffenden eher unaufgeregt abzuhandeln.
Die sehr verbreitete Prüderie bezüglich der Zusammenschau von Kunst und Markt läßt
sich offenbar kaum aushebeln. Auch wenn man begreifen könnte, daß GELD ein MEDIUM ist,
also zumeist erst konvertiert werden muß, um diesen oder jenen Nutzen zu erzeugen. Ich
hab draußen, auf dem Marktplatz, ein ganz interessantes Zitat abgeholt:
>>Qualität von Kunst ist nicht messbar, wohl aber
die Resonanz in der Fachwelt. Das Informations- und Früherkennungssystem Kunstkompass
erleichtert damit die Auswahl der Investitionen und verringert das Risiko von
enttäuschenden Fehlkäufen.<< [kunstkompass]
Da ist eine interessante Kategorie: "Resonanz der Fachwelt". Dann wäre da
noch die Kategorie "Wertsteigerung":
>>Kunst kaufen ist einfach. Doch wer wahre
Preziosen mit Potenzial zur Wertsteigerung sucht, muss den weltweiten Kunstbetrieb
kennen.<< [Die
100 Besten]
Polemisch verkürzt:
Seit der Tauschhandel von der Geldwirtschaft abgelöst wurde, sind solche Optionen
möglich, also werden sie genutzt. Wir sollten demnach in der Lage sein, über den
Zusammenhang von "Kanon und Kohle" fundiert zu debattieren, statt die dumme
legende weiterzuspinnen, daß "Kunst" etwas "Hehres" sei, dessen
Berührung mit "schnödem Mammon" als unanständig gelte.
Schon allein diese Zuschreibung "schnöder Mammon" kann ja bloß einem gut
situierten Melancholiker eingefallen sein, der vom Leben recht wenig Ahnung hat. Meine
Realität handlt davon, daß ich meist die eine Hälfte des Jahres an der Armutsgrenze
lebe, weil ich mich in der Kunst nur sehr bedingt um Marktfähigkeit kümmern kann. Die
zweite Hälfte des Jahres ist durchaus merklich vom Gerenne ums Geld bestimmt, da sich
letztlich ein Jahresbudget zum Leben ausgehen muß und Schulden abbezahlt werden möchten.
Ich halte es für höchst banal und keiner
Aufregung wert, wenigstens einmal pro Jahr den Exekutor am Hals zu haben, was heuer im
April erledigt war. Wer sich dem gegenüber ein Gerede von "schnödem Mammon"
als Gegenleistung für künstlerische Arbeit herausnimmt, hat damit eine Gutschrift für
einen symbolischen Tritt in den Hintern erworben, um dadurch zurück in sein
Wohlstands-Reservat befördert zu werden.
Hier heraußen, in der freien Wildbahn, wird mir nämlich fürs Geld solide Arbeit
abverlangt. Die erbringe ich gerne, aber dafür will ich dann auch Kohle sehn, ohne daß
jemand die Stirn besitzt, mich dafür schräg anzublicken. |
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