Die Frage Was ist Kunst? verlangt nicht nach einer simplen Antwort, sondern
kann ja nur eine Einladung zu einem Gespräch sein. Was ist die Welt?
Was ist das Leben? Das ist schließlich nicht die gleiche Art von Fragen wie
Was ist ein Geschirrspüler?
Wir haben im regionalen Kreis von kunst O.ST dieses Thema implizit und explizit ständig präsent.
Es mag privat zur Debatte stehen, wo Kunstschaffende für sich selbst Standortbestimmungen
vornehmen. Es ist öffentlich auf jeden Fall relevant, sobald Bühnen betreten werden
wollen, die mindestens von zweierlei handeln: Von der Finanzierung der Arbeit, welche es
unter anderem verlangt, solche Bühnen bereitzustellen.
Und von der Sichtbarkeit, von der öffentlichen Wahrnehmung, die dadurch
generiert werden soll, die ihrerseits einiges mit "Marktwert" zu tun hat, ohne
den es kaum möglich ist, Geld zu lukrieren.
Geld und Aufmerksamkeit.
Die beiden Währungen, in denen das Kunstschaffen bezahlt, abgegolten wird. Zu diesem
Thema gehört auch eine stets neue Auseinandersetzung mit dem Umstand, daß der
Kunstkontext offenbar mit einem Nimbus verbunden ist, der auch Menschen, die ohne
nennenswerte Ambitionen sind, dazu drängt, sich auf diesem Feld zu tummeln, siech unter
diese Flagge zu stellen. Das ist mindestens bezogen auf verfügbare Ressourcen in den
beiden eben erwähnten Währungen ein diskussionswürdiges Thema.
Ich hatte eben ein Gespräch mit Herbert Nichols, dem kulturpolitischen Sekretär des
Landeskulturreferenten Kurt Flecker. Dabei haben wir diesen Aspekt erörtert: Daß
Ressourcen begrenzt sind und praktisch einfach nicht reichen, um allem und allen
verfügbar gemacht zu werden, wo ausdrücklicher Kunstkontext geltend gemacht wird. Simpel
ausgedrückt: Zu viele Leute rennen um zu wenig disponible öffentliche Mittel. Woraus
sich natürlich Debatten über Kriterien, Wertungen, Verteilungsmodi und -gerechtigkeit
ergeben.
Das ist nur einer der Gründe, durch die solche Debatten Gewicht bekommen. Ein
nach außen gerichteter Grund, der politische Aspekte berührt. (Politik in
einer klassischen Begriffsbestimmung verstanden, als das Zusammenspiel von Politiké
[Staatskunst] und Polis [Gemeinwesen].) Andere Gründe sind nach innen
gerichtet, betreffen die Interna einzelner Kunstschaffender.
Fragen nach dem, was denn die Kunst sei, beschäftigen mich gerade in einem sehr
emotionsgeladenen Zusammenhang, im Zusammentreffen zweier Ereignislinien, die mit einander
heftig korrespondieren. Da ist einerseits die Reflexion eines Gespräches, in dem mir vom SPLITTERWERK aktuelle Schlüsse zum
Thema dargelegt wurden. Eine radikale Position, die sich aus den vergangenen Jahren der
Praxis dieser Kunst- und Architektur- Crew ableitet.
Ansichten, die ich gerade in Relation zu meinen eigenen Vorstellungen überprüfe,
deren genauere Betrachtung außerdem nötig ist, weil ich eingeladen wurde, für das
Architekturmagazin Skin eine Geschichte über das SPLITTERWERK zu schreiben.
Das geht nun andrerseits mit einem noch wesentlich radikaleren Verlauf in einander. Der
ergibt sich aus Begegnungen und Gespräche mit dem 81-jährigen Maler Hannes Schwarz. Ein
Künstler von internationalem Rang, der mir vor einigen Tagen jenes Bild gezeigt hat, das
als sein letztes gilt; denn, wie er meint, danach gab es für ihn auf diesem Feld nichts
mehr auszudrücken.
Was keineswegs bedeutet, daß er nun wie eine Archivalie erscheinen würde,
im Gegenteil, er hat mir in seinem Handeln deutlich gemacht, worin künstlerische Praxis
über jenes Tun hinausreicht, das einen Künstler quasi primär sichtbar
macht; also etwa daß ein Maler malt und daraus Ergebnisse veröffentlicht. Wo dann
der Maler so einen radikalen Schritt tut und den Pinsel für den Rest seines Lebens aus
der Hand legt, sind noch erhebliche Wegstrecken und weitere Horizonte vor ihm. Ich werde
hier später davon erzählen, was mich Schwarz in dieser Sachen sehen und erahnen ließ.
(Die Lektion sitzt tief!) [Fortsetzung]