Log #33
Eine weitere Station in den Arbeitsgesprächen Kunstschaffender aus der Oststeiermark.
Nach den Erörterungen möglicher Vorhaben und der Bedingungen einer eventuell größeren
Kooperation führte spät nachts die Debatte zu grundlegenden Fragen, was denn Kunst sei;
im Sinne der verschiedenen hier präsenten Auffassungen von "Gegenwartskunst"
und ihren Bedingungen.
Ich meine, künstlerische Praxis handelt in hohem Maße vom Arbeiten und
Experimentieren mit Veränderbarem und dem sich Verändernden. Darin liegt eine der
wesentlichen Bedeutungen, die Kunstschaffenden in gesellschaftlichen Prozessen haben. Eine
simple Erfahrung besagt: Veränderungen erzeugen immer Widerstände. Ich möchte annehmen,
dieses "konservative Element" birgt in menschlicher Gemeinschaft etliche
Vorteile. Andererseits sind weder Natur noch Kultur zum Beharren eingerichtet. Die
Gewißheit von Veränderung ist genau das, was sich nicht verändert.
Das Bedeutende bezieht sich of aus dem Banalen. Der Alltag wirft einem manche Themen
zu. Ein Beispiel: Die Umgestaltung des Gleisdorfer Stadtzentrums hat eine lange Reihe von
Debatten und Einwänden hervorgebracht. Der Polier sagte mir eben: "Noch zwei
Samstage." Dann muß der Umbau abgeschlossen sein. Ich fand interessant, was der
Gleisdorfer Bürgermeister Christoph Stark diesbezüglich in seinem "Tagebuch" unter
"Geschichtsträchtiger Moment" (Eintrag vom 12.7.2007 09:53) notiert und als
solchen ausgewiesen hat. Nämlich das Versetzen der "Mariensäule" an ihren
neuen Standort.
Wir sind eine Zeichen erzeugende Spezies, hungrig nach Bedeutung. Säulen, Denkmäler,
"historische Momente" helfen uns als "Markierungen" bei der
Orientierung in der Zeit und im Raum. Das sind Zusammenhänge, in denen künstlerische
Praxis eine erhebliche Rolle spielt. Aber auch das Alltägliche wirft uns Bedeutungen zu,
leuchtet Zusammenhänge aus.
Wenn nun hier das gekrönte "Christuskind" auf den (wie ich vermute) Moslem
Ghadir Alizadeh Saboor herabblickt, während er "Maria und dem Kinde" zu neuen
Standfestigkeit verhilft, dann ergibt sich so eine Szene, die einem "westlichen
Europa" zu einigem Nachdenken verhelfen sollte. Denn das momentane Aufbauen von
Fronten, das permanente Behaupten einer Gegnerschaft (hier das Christentum, da der Islam)
als angebliche Konstellation von "Feinden" ist barbarisch, ignorant; es spottet
all den Früchten, die unsere Kultur aus BEIDEN Quellen bezogen hat.
Noch ein Stück weiter in der Symbolträchtigkeit. Wie mir der Historiker Robert F.
Hausmann erzählte, hatte diese Statue ein Detail, das man heute vergeblich suchen würde.
Ihr Fuß stand auf einem Halbmond. Denn das 1665 errichtete Monument ist eigentlich eine
sogenannte "Türkensäule" ... mit der "Statua der seeligsten Muetter
Gotteß Mariae von purlautern außgehauten stain aufgesetzt unnd die bildtnuß Maria
zierlich verguldet".
Diese alten Motive werden heute noch in der Politik verwertet, unterschlagen aber
völlig, daß in der Feudalzeit jeder Fürst Krieg führte, wann immer es seine Mittel
zuließen. Jeder gegen jeden, jeweils kurzfristige Bündnisse ausgenommen. Warum? Weil in
dieser Zeit Grund und Boden samt den darauf ansässigen Leibeigenen die existenziellen
Fundamente der Aristokratie waren. Religion ist für Feldzüge in den meisten Fällen
bloß ein Vorwand gewesen, es ging wesentlich um Vergrößerung des eigenen Territoriums
und Machtbereiches.
Daß also Kriege geführt wurden, sagt uns nichts, naja, sagt uns WENIG über die
realen kulturellen Zusammenhänge in einem größeren (historischen) Zeitraum. Mehr noch:
Heute daraus a priori Feindschaften abzuleiten ist unredlich, anfechtbar, unsinnig.
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