next code: flow / page #4

Zum gemeinsamen Lokalaugenschein auf dem Weizberg war Kunsthistorikerin Mirjana Selakov in Weiz vom Postbus abzuholen. Die Haltestelle ist bei einem Pub gelegen, wo ich mein Auto ums Eck parken konnte. Da stand unter einem Flugdach einer jener riesigen Cadillacs, die Ende der 1950er, Anfang der 60er Dimensionen erreichten, welche in einen ganz vernunftfreien Raum gezeichnet wurden.

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Solche Autos sind über sechs Meter lang, gut 1,80 breit, verbrennen enorme Mengen an Sprit und tragen teils enormen Zierrat mit sich herum. Es hat an anderen "Yank-Tanks" zwar noch höhere Heckflossen gegeben, aber diese Art Cadillac wurde zur herausragenden Ikone, vor allem im Rock & Roll-Kontext.

Man mag so einen rollenden Lastkahn für eine ästhetische Grausamkeit halten, man mag darüber in Entzücken verfallen. Es zeigen sich eben sogar im Alltag ganz markante wie banale Beispiele, über welche Objekte unser Denken und Fühlen, unser Auftreten und sich anderen gegenüber Darstellen Ausdrucksformen hervorbringt, die keinen Aspekten der Alltagsbewältigung mehr gewidmet sind.

Ich gehe davon aus, daß Kunstwerke vergleichbaren Zwecken gewidmet sind. Die darstellbare Liste ist freilich meist umfassender und vielleicht etwas subtiler. Aber ich würde nicht darauf wetten, daß hier irgendwo all zu stabile Trennlinien verlaufen.

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Im "Kulturkeller" auf dem Weizberg haben wir uns dann freilich ernsteren Debatten hingegeben. (Haben wir? Welche zwingenden Verbindung mag es wohl zwischen künstlerischer Praxis und Ernsthaftigkeit geben?)

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Jedenfalls will großer Raum bewältigt werden, was durchaus knifflig wird, wenn sich mehrere Kunstschaffende mit recht unterschiedlichen Intentionen einstellen. Daraus ergibt sich weiterer Zustrom für einen Lauf der Dinge, in dem die Angelegenheiten der Kunst verhandelt werden.

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Das mag sich auch an den Rand eines Tellers Kürbiscreme-Suppe verzweigen, wie man sie auf dem Weizberg vorgesetzt bekommen kann. Das Leibliche hat eben auch ganz energische Innenseiten und ich wüßte zu gerne, wie radikal dabei die Mittlerrolle des Geschmackssinnes zu bewerten ist. (Eine Brücke zwischen Innen und Außen.)

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Wenige Tage später kam dazu in Gleisdorf eine Weincreme-Roulade ins Spiel, die Philosoph Erwin Fiala geordert hatte. Er wird ja zur Eröffnung der Ausstellung wieder einmal Menschen ins Grübeln bringen.

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Fiala, hier rechts neben Walter Kratner, läßt dann in den Debatten ab und zu so Sätze fallen wie: "Sie müssen lernen, daß Kunst nichts mit dem Bauch zu tun hat." Daß da manche Kunstschaffende nervös werden, wird kaum überraschen.

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Selakov ist eher im Sinne einer "teilnehmenden Beobachtung" mit dabei. Sie verfolgt nun den Prozeß, der zu "next code" geführt hat, schon einige Jahre. Nicht in strenger Distanz. Sie nimmt auch Einfluß auf den Lauf der Dinge.

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Georg Enzinger ist mit Dimensionen und Vorstellungen von Zeit befaßt. Die "Protozoae" der Enzingers handeln davon. Fiala meinte en passant, es hab ja schon vor dem Auftauchen von Lebewesen Zeit gegeben. Hat es?

Gibt es Zeit außerhalb und unabhängig von ablaufenden Prozessen? Gäbe es Zeit, wenn es sonst nichts gäbe? Ist Zeit selbst ein Prozeß? Oder nur ein Echo davon? Ich vermute, daß Zeit nicht etwas Bestimmtes ist, sondern die Beziehung zwischen Diesem und Jenem. (Dabei weiß ich genau, daß Hawkins' populärstes Buch irgendwo in meinen Regalen steht.)

Diese Ausstellung ("next code: flow") ist übrigens der Auftakt einer Trilogie. Siehe dazu den Eintrag #49 im Projekt-Logbuch!


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