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Dieses Foto aus Sarajevo zeigt den Historiker Karl Kaser. Er leitet die Abteilung für Südosteuropäische Geschichte an der Karl Franzens-Universität in Graz. Kaser wird uns Mitte Mai einen Vortrag unter dem Titel "Balkan heute" halten.

Formal eine andre Baustelle, gewiß. Denn wir eröffnen damit unseren Beitrag zum Festival "steirischer herbst". Aber man wird nachvollziehen können: So große und komplexe Themen lassen sich in der Region nicht innerhalb eines knappen Zeitfensters und eines Festivals abarbeiten.

Hier geht es unter anderem um eine "durchgängige Erzählung", die aus verschiedenen künstlerischen und diskursiven Quellen gespeist wird. Der Brocken, den wir alle zu bewegen haben, ist gewaltig.

Nachdem die Ära des Kalten Krieges es uns schon schwer gemacht hat, einen offenen Blick auf Südosteuropa zu pflegen, war der Sezessionskrieg Jugoslawiens ein weiterer Anlaß für Irritationen und Diffusion.

Es erscheint mir daher nützlich, für den Blick über die vormalige "Militärgrenze" hinweg eine Orientierungshilfe einzuholen, die ich von Kaser erwarten darf.

Stichwort Militärgrenze:
Das war einst eine Trennlinie zwischen dem Reich der Osmanen und dem er Habsburger, in der Zuständigkeit der steirischen Landeshauptmannschaft.

Was für ein Zufall, daß aktuelle Debatten über die Kategorien "fremd" und "heimisch" jene Zonen bevorzugt, in denen Latinität dominiert. Zonen die von Orthodoxie und Islam geprägt wurden, fallen eher unter Annahmen: Das gehört nicht zu Europa. In diesen Zusammenhängen spielt die Militärgrenze symbolisch eine markante Rolle.

Cut!

Es sind nicht bloß Monate, es sind inzwischen Jahre. Da verbreitet sich auf Leserbrief-Seiten Ratlosigkeit über den Lauf der Dinge, die sich in einer expliziten Feindseligkeit ausdrückt. Ein heute offenbar tief sitzender Kulturpessimismus, der dazu verleitet, die eigene Position mit Schanzwerk zu umgeben und alles, was einem fremd erscheint, herabzuwürdigen.

Das macht zwar bloß einen Teil der "Einheimischen" aus, dieser Teil nimmt aber an Lautstärke zu. Einmal mehr bewährt sich journalistisches Personal beim Wassertragen in dieser Sache. Denn so hat es schon vor über hundert Jahren geklungen.

Da entstehen dann Mutmaßungen über Kausalketten, die haben mitunter reichlich Kuriositätswert. (Quelle: "Kronen Zeitung")

Wieso sollen "Ausländer" das Essen und Wohnen gratis beziehen können? Wie sollte dabei ein erheblicher Überschuß die Müllgebühren so in die Höhe treiben, daß es die Existenz "braver Österreicher" belastet? Wie sieht denn das in der Praxis aus?

Die Vorbringung ist so hanebüchen, daß man sich umgehend Fragen müßte: Was ist es denn, womit Sie nicht fertig werden?

Falls dabei hausgemachte Probleme sichtbar würden, erschiene es freilich sehr verlockend, was einem vom Boulevard her und von der Innenpolitik angeboten wird: Andere sind schuld.

Diese Tendenz zu "Feindmarkierung", um eigen Verantwortung abzuschwächen, scheint ihre Kontinuität aus langjährigen Prozessen zu beziehen.

Genau betrachtet führen solche Motive bis hinter den Ersten Weltkrieg zurück, wo Ende des 19. Jahrhunderts nationalistische Diskurse kraftvoll in die Bevölkerung hineingetragen wurden und offenbar breite Basis erlangten. Das belegen unzählige Flugblätter, erbauliche Schriften, Büchlein.

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Ich meine damit:
Solche Ansichten und Stimmungen entstehen nicht "von selbst", sie werden mit Vorsatz generiert. Dabei spielt publizistische Tätigkeit eine tragende Rolle; sei es als Quelle, sei es als Verstärkung von verächtlichen Wanderlegenden.

Was uns heute als "Haßprediger" dargestellt und als "muslimische Domäne" behauptet wird, hat auf der katholischen Seite Europas freilich seine eigenen Traditionen. Ein einst in die Steiermark abgewanderter Vorarlberger mag dazu als Exempel taugen.

Der 1848 geborenen Aurelius Polzer (alias Armin Stark) hat 1884 im Verlag von Caesar Schmidt (Zürich) ein Heftchen herausgegeben, dessen Titel „Zu Schutz und Trutz!“ lautet. Der Untertitel nennt einen Begriff, mit dem die Nazi später das Wort "Österreich" ersetzt haben: „Deutscher Sang aus der Ostmark“.

Ostmark = Marcha orientalis = Mark im Osten. Da war das Benutzen mittelalterlicher Kategorien im Legitimationsgeschäft en vogue. Schon das erste „Lied“ läßt vermuten, daß derart martialische Klänge damals noch nicht die Regel gewesen sind. Da heißt es:

>>Ihr tadelt uns, dass wir im Harnisch schreiten,
Dass unsre Faust das scharfe Schlachtschwert schwingt,
Dass in den bösen unglücktrüben Zeiten
Aus unsrer Kehle greller Kampfruf dringt.<<

Der Autor sänge „viel lieber heitre Weisen“, und lieber „gienge“ er im Festtagskleide; „Allein es ächzt im Sturm die deutsche Eiche“ und

>>Der Wächter unten am bedrohten Stamme,
Halbwach liegt er in ahnungslosem Traum,<<

... diese Schnarchnase, während also die teure Heimat etc. etc., die Töne sind bis heute nicht verklungen und haben viel Vertrautes. (Dazu einige weitere Notizen im Eintrag #4 bei "Steinerne Verhältnisse zum Tanzen bringen".)

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15•08