next code: cruise / notiz #10 Querbezüge zu technischen Metiers sind natürlich naheliegend.
Aktuell vor allem zur Erstellung von Videos, die inzwischen eine unserer
Darstellungsebenen geworden sind. Fachhändler Bernhard Kurtz hat für unser Set eine
Anlage zur Videopräsentation zur Verfügung gestellt. In dem Zusammenhang hat er mir
gezeigt, wie klein erschwingliche Videokameras heute sein können.
Da hat man plötzlich nicht mehr in der Hand als
etwas in der Größe eines Zigarrenetuis. Es ist staunenswert, wie preisgünstig heute
Ausrüstungen zur Verfügung stehen, um quasi in der Küche eigene Produktionen zu
realisieren; wie ich es mit der Arbeit "späte fahrten" über den Maler Hannes
Schwarz gemacht habe.
Schwarz hat als Künstler internationalen Rang,
scheut sich aber keineswegs, auch jetzt noch streng in Frage zu stellen, was er an Werken
vorgelegt hat. Eine kühne Position, denn seine Parkinson-Erkrankung macht es ihm heute
völlig unmöglich, einen Pinsel zu führen. Er könnte demnach nichts ergänzen oder
revidieren, falls er über sein Werk einen abwertenden Befund erstellen müßte.
So gab es zwischen der Crew von "next code:
cruise" und Schwarz Debatten über die Kunst und wird es wohl auch weitere geben.
(Siehe dazu den Eintrag #3!) Das ist nicht für
alle Leute bei "kunst O.ST" eine relevante Option: Über Kunst zu reden, zu
debattieren. Wir hatten am Morgen des Eröffnungstages ausführliche Post eines Kollegen
erhalten, in der es zum Beispiel hieß:
>>Als weniger erforderlich bis gar hemmend
erweist sich ein übersteigertes Maß an Zusammentreffen, Sitzungen, Versammlungen,
Beratungen und Besprechungen, und dies vor allem dann, wenn diese nicht wesentlich mehr
sind, als mit Entsprechungen und lateinsprachigen Wortwiederholungen gefüllte
Zeiträume.<< [Quelle: A.T.: "WIE ORGANISIERE ICH EINE
KULTURVERANSTALTUNG"]
Vielleicht lag es ja an dieser geharnischten
Diskurskritik durch den Kollegen, der im Rahmen von "pomale" dann auch seinen
Auftritt hatte, daß die beiden Kunsthistorikerinnen Mirjana Selakov (links) und Sigrid
Meister hinter vorgehaltener Hand Gedanken austauschten, während dahinter die Künstlerin
Angelika Haas sich womöglich verlegen abwandte, weil sie befürchten mußte, beim
Belauschen von kunsttheoretischen Gesprächen erwischt zu werden.
Wer allerdings laut für Aktion plädiert und dabei
die Option des kritischen Diskurses ausschlägt, wer also die Aktion zu Lasten
der Reflexion forciert, wird vielleicht früher oder später erklären müssen,
warum er (womöglich ohne es auch nur zu ahnen) einem der Grundprinzipien des Faschismus
huldigt: "Aktion vor Reflexion", wird erklären müssen, warum er in einer
explizit anti-intellektuellen Pose auftritt und überdies "höhere
Instanzen" anrufen möchte, was historisch ja gerade unter der jugendlichen Nazi-
Prominenz in Hitlers Kielwasser sehr verbreitet und beliebt gewesen ist.
Die Parallelen im Wortklang sind verblüffend bis
irritierend, wenn der Kollege etwa schreibt:
"In diesem Falle entsende man einen umfänglichen Dank an göttliche Instanzen,
an Bestimmung und Vorsehung!",
... ohne offenbar zu wissen, daß eben diese
Begriffe in eben dieser Kombination der Worte in eben solchen Fällen, nämlich der
Rechtfertigung von Aktion (unter dem Verbot der kritischen Prüfung durch reflexive
Instanzen), in der Nazi-Ära Standard gewesen sind. Das sind einschlägige
Schlüsselworte: Göttliche Vorsehung. Bestimmung.
Von links: Hannes und Friedl
Schwarz, Linda Maria Schwarz (nicht verwandt) und Mirjana Peitler-Selakov im Weizer
Kunsthaus beim Gespräch über ("arische") "Herrenmenschen" und
(slawische) "Untermenschen".
Österreich hat sich bis heute von diesen Tendenzen
geistig noch nicht erholt ... wovon in diesem Projekt auch die Rede gewesen ist, da der
erwähnte Hannes Schwarz in einer Ordensburg der SS eine Erziehung zum
"Herrenmenschen" genossen hat. Wir haben mit ihm über solche Zusammenhänge
gesprochen. Und über die Bedingungen, aus jener geistigen Welt der Arroganz zu entkommen,
um wieder im Boot der Menschenwürde zu sitzen.
Aber zurück zum Eröffnungstag von
"pomale", der eine sehr kraftvolle und emotionale Demonstration geworden ist,
was die Region künstlerisch zu zeigen imstande ist. Das können Sie auch im Dokumentationsbereich
des Festivals "pomale" sehen.
P.S:
Allerdings hat, das wäre zu erwähnen, Richard Ludersdorfer, der "lange Mensch"
an der Spitze dieses Zuges, zum Auftakt des Festivals Berthold Brecht gelesen. Man muß
davon ausgehen, daß Brecht sehr wahrscheinlich ein gereimtes oder ungereimtes
Donnwerwetter über jemanden ausgegossen hätte, der sich GEGEN kritischen Diskurs und
FÜR "Göttliche Vorsehung. Bestimmung." aufstellt.
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