next code: input #26 Üppig
(Neue Klarheiten über die Kunst zuzüglich dem gut gemeinten Rat,
Michael F. Geyer nicht zu heiraten)
Von Martin Krusche
Seit jeher oder mindestens seit Jahrzehnten verbindet mich
mit Michael F. Geyer, nein, genauer: trennt mich von ihm tiefer Dissens in einer Reihe
grundlegender Fragen. Daß er nun ausgerechnet mich gebeten hat, bei dieser Werkschau zu
seinem 60. Geburtstag einen literarischen Akzent zu setzen, darf man als Beleg für seine
eigentümliche Art von Humor werten. Geyer ist ein Prediger der Untugend. Er ist immun
gegen Mahnungen, resistent gegen Läuterung, glücklich in seiner Maßlosigkeit und
unglücklich in den sozialen Grenzen, die dem Eigennutz einer einzelnen Person auferlegt
sind.
Ist Geyer denn nicht genau so die Ikone jenes Bohemiens,
der den geschäftlichen Fleiß und die private Sittsamkeit in jeder nur erdenklichen Form
verachtet? Ist er nicht exemplarisch jene beunruhigende Erscheinung für Menschen in
geordneten Verhältnissen, welche ein an Kunst interessiertes Kleinbürgertum stets mit
wohligem Schauer begafft?
Mißtrauen Sie bitte den all zu schlichten und schlüssigen
Darstellungen von komplexen Phänomenen. Wir Menschen sind nicht einfach gestrickt, unsere
Verhältnisse sind es auch nicht. In stets neu formulierten Legenden erzählen wir uns die
Welt, deuten wir uns ihre Zusammenhänge, versprechen wir uns den Himmel und stellen uns
bei Bedarf jede Hölle in Aussicht. Künstlerische Praxis ist dazu eines der tauglichsten
Mittel.
Wenn man Geyer so sikizziert, wie ich es eben auf ironische Art getan habe, wirft er einen
viel zu langen Schatten. Und weil mein Dissens zu vielen seiner Ansichten sich über all
die Jahre nicht lockern ließ, weil wir unsere Rollen in dieser Welt auf geradezu
unvereinbare Art verschieden sehen, bin ich überhaupt nicht gerüstet, Ihnen etwas
Profundes über Geyer zu erzählen. Etwas Aufschlußreiches, Stichhaltiges, etwas, das ihm
auch nur irgendwie gerecht werden könnte.
Wir sollte ich ihm gerecht werden, da ich ihn
wahrscheinlich überhaupt nicht mag; wer weiß das schon so genau? Aber das Werk! Und auch
darüber werde ich Ihnen weder meine eigenen Ansichten, noch allgemein übliche
Reflexionsübungen vorlegen. Obwohl ich Vermittlungsarbeit in der Kunst gutheiße. Aber
heute und hier nicht! Ich habe nämlich vor kurzem im Streit mit einem Spießer in
Öko-Klamotten meine Lizenz zur Lebensberatung verloren und der Aufklärer in mir hat sich
darauf an Weißburgunder so tief betrunken, daß er heute noch nicht recht aus seinen
Augen sieht. Somit konnte sich der Bohemien in mir von seiner Leine losreißen und
nachhaltig verhindern, daß an diesem Abend von dieser Stelle aus etwas zu Ihrer Erbauung
geschieht.
Zurück zu Michael Geyer. Er hat einst mit seinem Atelier
in der Bürgergasse für Gleisdorf wichtige Basisarbeit geleistet, um der Gegenwartskunst
Raum und Position zu sichern. Er ist also nicht bloß ein Künstler, dessen Werk ich
schätze, er hat auch für die strukturellen Bedingungen der Kunst in dieser Region einen
unverzichtbaren Beitrag geleistet. Denn in der guten älteren Zeit herrschte hier zur
Gegenwartskunst noch ein Bündel von Ansichten vor, das sich so zuzsammenfassen läßt:
Za wos brauch ma des?
Geyer hat einiges getan, damit die Vorherrschaft solcher Ansichten ein Ablaufdatum
erhält. Solche Prozesse haben gewundene Wege. Was bedeutet, daß es darin zwar Umwege
gibt, aber keine Abkürzungen.
Ich habe neulich bei einer Veranstaltung erlebt, daß
jemand einigermaßen energisch fragte, was er denn nun über einen bestimmten Maler wisse,
nachdem er diesen Maler in einem knappen Video über verschiedene Belange sprechen gehört
hatte. Der Mann wollte offenbar informiert werden.
Nun wäre zurückzufragen, ob denn die Kunst für eine Art
Auskunftsbüro gehalten werde. Und ob es unverzichtbar sei, auf eine Frage Antworten
folgen zu lassen.
Ihnen allen dürfte folgende Floskel geläufig sein: Was will uns der Künstler
damit sagen? [...]
Textauszug! Der komplette Text als RTF-Datei.
[Einige Bilder vom Abend]
Verfaßt für die Werkschau von
Friedrich M. Geyer
und da vorgetragen am 12. September 2008,
auch als Fortsetzung von "Pur" geschrieben: [LINK]
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