diskursbeiträge zur netzkultur

Der Austrofaschismus und das System mur.at
Von Hans Fraeulin

Mur.at gibt sich als Kulturserver, der für Kulturschaffende in Graz und Murnähe gratis einen Zugang zum weltweiten Netz verschafft, aber in der täglichen Praxis dafür sorgt, dass die einlangende elektronische Post von einem Administrator geprüft und meistens nicht zugestellt wird. Einen derartigen Eingriff in das Postgeheimnis hat es seit Metternich und Hitler in Österreich nicht mehr gegeben.

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Im Gedenken an den Februaraufstand 1934 wird in Österreichs Intelligenzblättern zurzeit heftig und manchmal ziemlich naiv über den Austrofaschismus debattiert. Ein Zeithistoriker an der Wiener Universität hält den Begriff für irreführend. Selbst mein Computer mischt sich ein und bekrittelt den Begriff Austrofaschismus. Ein honoriger Journalist mit tadelloser antifaschistischer Vergangenheit gibt den Sozialdemokraten die Schuld und exkulpiert den später von den Nazis ermordeten Bundeskanzler Dollfuss, der nach wie vor von der Österreichischen Volkspartei als Märtyrer verehrt wird.

Wenn diese Debatte einen Zweck hat, dann den, die Geschehnisse von damals unter einem Schwall von Worten, Argumenten und Begründungen zu ersticken, um sich selbst in der Öffentlichkeit eine Existenzberechtigung verschafft zu haben und zur Tagesordnung zurückkehren zu können. So war es schon beim 50jährigen Gedenken an den Februaraufstand, als die Betreibenden des Kulturservers mur.at zur Schule gingen. Hätten sie in der Schule davon erfahren, wüssten sie mit meinem Vorwurf, sie seien austrofaschistische Kulturarschlöcher, etwas anzufangen.

Jetzt herrscht dort betretenes Schweigen oder gähnende Betroffenheit. Jedenfalls erhalte ich nicht mehr den in smartem Englisch gehaltenen Hinweis, der Moderator habe erst die Post zu prüfen, bevor er sie an ein Mitglied von mur.at weitergibt.

Mit dem Niedergang der Volkswirtschaften in den 20er Jahren kam in Europa Faschismus in Mode. Der Begriff leitet sich von den fasci, den Bündeln ab, zusammengeschnürte Holzstöcke, aus denen ein Hackebeil herausragte. Mit dieser seltsamen Waffe gingen die Bütteln des römischen Reichs spazieren. Das Copyright für Faschismus, ein damals durchaus positiver Begriff, besitzen die von Benito Mussolini geführten italienischen Faschisten, für die sich auch die konservativen Kreise in Österreich begeisterten. Gemeinsames Ziel aller, fast aller konservativen Kräfte in Europa war die Abschaffung der Demokratie in ihren Ländern. Ihr gaben sie die Schuld am Elend der Massen. Um sie abzuschaffen, war ihnen jedes Mittel recht. An ihre Stelle wollten sie entweder wieder die Monarchie einführen, oder eine Diktatur errichten oder wie in Spanien und Österreich einen Ständestaat, quasi eine Monarchie ohne Monarchen. Die Stände - das sind der Adel, die bewaffnete Macht repräsentierend, der für die Kultur verantwortliche Klerus, Industrie, Handwerk und Gewerbe, das damals für eine gedeihliche Wirtschaft sorgende Bürgertum - sollten Gremien bilden, welche den möglichst allein Herrschenden in allen staatlichen Belangen fürsorglich beraten. Um ihre Herrschaftsansprüche durchzusetzen, mussten die in der Demokratie erkämpften Grundrechte aller Menschen leider, leider dran glauben. Persönliche Integrität und Unverletzlichkeit, Gleichberechtigung, Versammlungsfreiheit und andere Rechte gab es im Faschismus nicht oder nur eingeschränkt. Freilich durfte der Diktator seine Meinung sagen, aber nicht seine Gegner, durften sich seine Anhänger ungeniert versammeln, aber nicht seine Gegner, durften sich seine Leute bewaffnen und den entwaffneten Gegnern eins auf die Mütze geben. Man schaffte die Instrumente der Demokratie ab und erklärte den Pöbel oder die Juden oder irgendeine andere Sorte Mensch zu Menschen zweiter Klasse, die mit persönlichem Eigentum nicht staatsförderlich umgehen können. Das nahm man ihnen weg und vertrieb sie fallweise aus dem Land.

Hitlers Nazi-Faschismus (den Ausdruck akzeptiert mein PC) trieb es besonders arg, wie wir wissen. Seine Gegner und die deklassierten Bevölkerungsteile wurden ermordet, ein Weltkrieg entfacht, mit dem nicht nur die Ergebnisse des vorigen Weltkriegs revidiert werden sollten, sondern mit einem gigantischen Vernichtungsfeldzug auch der Süden und Osten Europas erobert werden sollte.

Gegenüber den unvorstellbaren Verbrechen des Hitlerregimes nehmen sich die Untaten der anderen faschistischen Regimes harmlos aus. Während Franco einen Krieg im eigenen Land entfachte und Zehntausende Republikaner ermorden ließ, Mussolini mal schnell Abessinien eroberte und dort Massaker veranstaltete, begnügte sich Dollfuß mit der Eroberung des Karl-Marx-Hofes als Sinnbild für das rote Wien. Er nutzte wie Hitler die Schwächen der parlamentarischen Demokratie, um sie ausschalten zu können. Um den politischen Gegner zu beseitigen, wendeten beide die von ihnen sehr geschätzte Salami-Taktik an, das heißt, die Gegner scheibchenweise zu schwächen, indem man ihnen nach und nach ihre Rechte und Möglichkeiten entzieht. Als die Sozialdemokraten entwaffnet werden sollten, wehrten sie sich endlich. Das Ergebnis ist der niedergeschlagene Februaraufstand.

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Antwort von Jogi Hofmüller


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