Der Email-Lehrer Hans Fräulin [1],
sein Missverständnis und wie Mailinglisten funktionieren ...
Von Jogi HofmüllerVorgeschichte
Den Anstoss, diesen Artikel zu verfassen, lieferte Hans
Fräulin (im Folgenden kurz HF genannt) am 2.3.2004 mit seinem auf http://www.van.at/netz/werk/set01/werk03.htm
veröffentlichten Artikel 'Der Austrofaschismus und das System mur.at'. Ich nehme mir im
folgenden Text die Freiheit, nur auf bestimmte Dinge des Textes von HF einzugehen.
Der Stein des Anstosses ist mindestens ein dokumentierter
Versuch von HF, Email an eine bei mur.at betriebene Mailingliste zu schicken [2]. Mindestens einmal erhielt er eine
automatisch generierte Antwort [3], die ihn
darauf aufmerksam machte, dass die betreffende Mailingliste 'members-only' geführt wird.
Mindestens einmal wurde HF von einem Mitglied des mur.at Präsidiums persönlich darauf
aufmerksam gemacht, was das zu bedeuten hat.
Da der unbegründete Ärger von HF auf sein Unverständnis
der Funktionsweise bestimmter Formen der elektronischen Kommunikation, respektive von
Mailinglisten zurückzuführen ist, handelt der vorliegende Text genau davon und stellt
den Anspruch, einige Dinge zu klären.
Mailinglisten
Zugegeben, für 'gewöhnliche Sterbliche' [4]
können die Errungenschaften der elektronischen Kommunikation schon
hie und da zum Albtraum werden. Für viele andere jedoch stellen sie mittlerweile einen
unverzichtbaren Teil des (Arbeits-)Alltags dar.
Mailinglisten zählen (neben Newsgroups) zu den
effizientesten Werkzeugen der digitalen Kommunikation, wenn mensch weiss wie und wofür
sie zu verwenden sind. Und genau in diesem 'wenn' liegt der Hund begraben. Daher vorab ein
paar 'geschichtliche' Dinge zu Mailinglisten.
Wann aus dem ersten 'wilden' Mailverteiler (so nenne ich
die Mails mit elendslangen Cc: Headern) die erste Mailingliste entstand, entzieht sich
meiner Kenntnis und ist auch nicht so wichtig. Tatsache ist auf jeden Fall, dass schon
früh in der Geschichte des elektronischen Postwesens findige Menschen auf die Idee kamen,
mehr oder minder intelligente Verteilungsmechanismen zum Zwecke der einfachen
Kommunikation mit mehreren Individuen zu entwickeln. Diese nennen wir heute allgemein
'listmanager', und es handelt sich dabei immer um Software, die von Menschenhand
konfigurierbar ist. Smartlist, Mailman, Ecartis, Majordomo sind einige (und lange nicht
alle) der beliebteren 'listmanager', wobei -- aber das ist eine andere Geschichte. Wann
immer in diesem Text von 'listmanagern' die Rede ist, ist also Software gemeint. Die
Menschen, welche Mailinglisten administrieren, werden allgemein als 'Administratorinnen'
bezeichnet.
Am Beginn jeder Mailingliste steht die gute Absicht.
Grundsätzlich entstehen Mailinglisten aus dem Wunsch, in einer (eventuell fluktuierenden)
Gruppe ein Thema zu diskutieren, Information auszutauschen. Wobei der Begriff 'Thema' mehr
oder weniger weitgefasst sein kann. Offensichtlich haben viele (alle?) Mailinglisten eine
mehr oder weniger gleich ablaufende Lebenserwartung (siehe http://www.rider.edu/~suler/psycyber/lifelist.html).
Manche Menschen haben allerdings eine durchaus andere
Auffassung vom Sinn und Zweck dieses Werkzeuges. Mehr als einmal wurde ich im Laufe meiner
'Karriere' als Administrator verschiedener Mailinglisten angepöbelt, dass es doch eine
'Frechheit' sei, dieses oder jenes Email auf dieser oder jener Mailingliste NICHT
zugelassen zu haben (egal ob ich dafür verantwortlich war oder nicht). Das ist auf die
irrige Annahme zurückzuführen, dass elektronische Post zuzustellen ist, sofern die
Zieladresse (mehr oder weniger) technisch/syntaktisch korrekt ist.
Mailinglisten werden also von verschiedenen Menschen als
praktische Verteiler zur Erreichung einer grossen Anzahl von Empfängerinnen
missinterpretiert (und des öfteren missbraucht).
Und genau das ist NICHT der Zweck von Mailinglisten.
Einfach zu wissen, es gibt die Email-Adresse 'so-und-so' einer Mailingliste, auf der
zig/hunderte/tausende Menschen subskribiert sind, die potentiell als Zielgruppe meiner
Inhalte in Frage kommen und daraus abzuleiten, es sei in Ordnung, legitim oder gar
erwünscht, meine Inhalte dort zu deponieren, ist grundfalsch und fällt eindeutig in den
Bereich des 'Missbrauchs' derselben.
Um sich vor oben genanntem Personenkreis zu schützen,
greifen die Administratorinnen von Mailinglisten zu verschiedenen Massnahmen. Für
erwähnenswert halte ich die Möglichkeit (bei vielen, aber nicht allen 'listmanagern'),
eine Mailingliste auf die Kommunikation der eingetragenen Teilnehmerinnen untereinander zu
beschränken. Solche Listen werden oft 'members-only' oder ähnlich genannt.
Ein weiterer (oft zusätzlich angewandter) Mechanismus ist
die Veröffentlichung eigener 'Benutzungsvorschriften', die im allgemeinen den
Themenkreis, der über die Mailingliste behandelt wird, definieren und/oder einschränken
und oft bis zu 'formalen' Fragen wie 'Erlaubnis/Verbot von HTML Email', der Limitierung
auf eine maximale Anzahl der Zeichen pro Zeile in Nachrichten, oder den Hinweis kein TOFU
[5] zu posten gehen. Auf aktiven Mailinglisten
kann die Veränderung der Benutzungsvorschriften schon zu teilweise wochenlangen
Diskussionen der 'regulars' führen, wobei der Grundtenor immer der gleiche ist: Die
Gratwanderung zwischen möglichst wenig OT/noise [6] und möglichst uneingeschränkter Benutzbarkeit zu überstehen.
Einer der Hauptgründe für die restriktivere Konfiguration
der 'listmanager' ist das ständig steigende Aufkommen von UBE [7]. Auch hier läuft die Grenzziehung zwischen UBE und BE [8]
oft nach eigenem Gutdünken, was die Durchsetzung geeigneter
Abwehrmechanismen oft erschwert.
Für das Zustandekommen der Spielregeln einer Mailingliste
ist eigentlich die Gemeinschaft aller eingetragenen Personen zuständig. Einzig die
Umsetzung der aufgestellten Spielregeln obliegt der/den Administratorinnen. Da hinter
jeder Email Adresse (mindestens) ein Mensch steht, gelten die Gesetze der Gruppendynamik
für Mailinglisten analog.
Wie in jeder anderen Form der Kommunikation hat sich auch
in der digitalen Domain im Laufe der Jahrzehnte (!) eine ganze Reihe von mehr oder weniger
etablierten Umgangsformen (oft unter dem Schlagwort Netiquette subsummiert) etabliert.
Persönlich erachte ich es daher als Notwendigkeit, sich über die inhaltliche Ebene
hinaus auch formal mit den Gegengebenheiten des Mediums der Kommunikation
auseinanderzusetzen, und zwar bestenfalls bevor mensch in den Diskurs einzusteigen
versucht.
Die Trial und Error Variante - dem Autor nicht unvertraut -
ist zwar nicht unbedingt der beste Weg, sich ein neues Medium zu erschliessen, aber -
vorausgesetzt Error führt zu einem Nachdenkprozess mit anschliessend ansteigender
Lernkurve - auch nicht die schlechteste. Völlig unangebracht und - nicht nur im digitalen
Raum - als überholt zu betrachten ist die Haltung, die eigenen, altbewährten Methoden
seien die einzigen und daher auf jede Situation anwend-/übertragbar. Die
Veröffentlichung des Textes von HF erachte ich als völlig inakzeptable und zutiefst
beleidigende Variante des Umgangs mit einem Problem, das sich einzig für HF als Problem
darstellt. Damit stellt er sich auf eine Stufe mit Menschen, die das Wort
Internetgeneration als Feindbegriff benutzen. Feindbilder sind angstbasiert. Angst ist
natürlich. Angst zu überwinden bedeutet, sich mit der Ursache zu beschäftigen.
Blindwütig um sich zu schlagen ist kurzfristig befreiend, führt aber längerfristig zu
gar nichts.
Graz, 18.6.2004 - Jogi Hofmüller
Fussnoten
[1] Unter http://www.van.at/netz/tip/set01/mail03.htm
gibt HF Informationen, Know how, Tips und Tricks zu Email.
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[2] Es handelt sich um die sogenannte
Strategie Mailingliste (siehe http://lists.mur.at/mailman/listinfo/strat), die als Members Only
Liste geführt wird.
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[3] Ein Auszug aus dem Template mit
dem der 'listmanager' auf nichtzustellbare Emails antwortet:
Your mail to 'strat@mur.at' with the subject
"Zitat aus dem subject"
Is being held until the list moderator can review it for approval.
The reason it is being held:
Post by non-member to a members-only list
Either the message will get posted to the list, or you will receive
notification of the moderator's decision.
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[4] Noch in der 2.0er Serie des Linux
Kernels stand als Abschluss der Hilfe zur Option 'Kernel profiling support' zu lesen 'Mere
mortals say N', was 'gewöhnliche sterbliche' dazu aufforderte, diese Option mit 'N' für
Nein (No) zu beantworten.
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[5] Als 'Text Oben Fullquote Unten'
(TOFU) werden Nachrichten bezeichnet, bei denen jemand auf ein langes Email mit z.B. 'gute
Idee' antwortet und dann das gesamte lange Email als 'Quote' nochmals unten an seine
Nachricht anhängt.
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[6] Off Topic wird oft einfach als OT
abgekürzt. Als noise werden Nachrichten bezeichnet, die nicht ganz OT sind, schon
gesagtes wiederholen oder einfach als störend empfunden werden. Der Begriff stammt aus
dem Vokabular der Informationsübertragung, wo (z.B. auf Leitungen) immer ein gewisser
Rauschpegel vorhanden ist. Ob ein darüber übertragenes Signal noch als solches zu
erkennen ist, hängt von der Fähigkeit der verwendeten Geräte ab, zwischen Rauschen
(noise) und Signal zu unterscheiden.
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[7] Unsolicited Bulk Email (UBE), im
Volskmund auch SPAM genannt.
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[8] Bulk Email (BE) ist z.B. die
Bezeichnung für Mail die via Mailinglisten versandt wird. Saubere 'listmanager' fügen
unter anderem einen Header wie 'Precedence: bulk' in von ihnen generierte Email ein, um
Filtersoftware die Chance zu geben, diese Mails gesondert zu bearbeiten oder um die
Beantwortung durch sauber 'Auto-Reply Programme' zu verhindern.
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GnuPG Signatur: mailinglisten.1.txt.sig
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