Der kurze Sommer des Automobils / Seite 32

Bei Meister Thaler

Ferdinand "Fredi" Thaler nickt, lächelt, während er in alten Dokumenten blättert. Ja, er sei auch im Motorsport dabeigewesen. In Monte Carlo. Als "Mechaniker und Beifahrer vom Hans Ortner." Öha! Das war Oberliga.

Johannes Ortner gehört zu jenen Rennfahrern, die in einem Satz mit Jochen Rindt und Niki Lauda zu nennen sind. "Der ist die Kurven grad durchgefahren", sagt Thaler, während er die Originalgrafik einer Farbmusterkarte für den 500er und 700er auf den Tisch legt, also ohne dem Kurvenverlauf zu folgen. [Die Farbmusterkarte]

page32a.jpg (10816 Byte)

Es war eine sachte Untertreibung bezüglich der Fahrtechnik von Ortner. Das Pucherl ist im technischen Aufwand gesamt so knapp gehalten, daß es hervorragende Mechaniker zum Optimieren des Fahrzeuges und äußest verwegene Fahrer brauchte, um vorne mitzumischen. Da konnte dann freilich in manchem Bergrennen sogar ein Porsche hergebrannt werden.

Thaler präzisiert: "Während ich das Gebetbuch geschrieben hab", jene Checkliste für die Strecke, nach der ein Beifahrer dann im Rennen dem Piloten ansagt, welche Passage wohin führt und in welchem Gang sie zu fahren sei, habe es ihm dann sein Frühstück aus dem Gesicht geschmissen, worauf "die mir am nächsten Morgen gleich Kognak eingefüllt haben".

page32b.jpg (26721 Byte)

Thaler hat für mich über die Jahre schon einige Schatzkästchen geöffnet. So erfuhr ich beim jüngsten Besuch zum Beispiel, daß es fast einen Fünfhunderter mit der Bezeichnung Tauern gegeben hätte. Die Applikation dazu, wie sie dann den Motordeckel hätte zieren können, war in verschiedenen Schiftvarianten angefertigt wurde.

Dazu gehört auch eine Spange, die einen Steyr-Puch 650 TSL ausgewiesen hätte, was allerdings nur PR-Geplänkel war. Die naheliegende Deutung: Thondorf, Sport, Luxus. Ähnlich wie der reale 500 S zwar mit dem Attribut Sport behafttet war, aber "sportlich war an dem wohl gar nichts, oder?" Thaler winkt bloß ab.

page32c.jpg (12439 Byte)

Inzwischen ist Manfred "Hasi" Haslinger dazugekommen, der einst mit Entwicklung und Typisierung befaßt war. Die beiden Männer arbeiten derzeit noch an der Restaurierung des Weingartmann-Haflingers: [link]

Da kann ich nun meine Grundsatzfrage anbringen: "Ich vermute, das Pucherl ist heute noch so interessant, weil es diesen standfesten Motor mit der enormen Leistungsreserve hat." Direktor Rösche hat ja bei jener Pressekonferenz zur 500er Präsentation im September 1957 betont, daß der Motor als "Hochleistungsmaschine ausgebildet" sei, aber bewußt auf 16 PS gedrosselt wurde, "um diese als Dauerleistung eines standfesten Aggregats bieten zu können".

"Richtig" sagt Haslinger, "der ist von oben nach unten konstruiert. Die Maschine war für über 30 PS ausgelegt". Da zieht Thaler ein Homologations-Blatt des ersten 500ers hervor. "Wofür habe sie den homolgisieren lassen?" frage ich. "Mit dem konnte man doch keine Rennen fahren."

"Freilich", erwidert Haslinger. "Und wie!" Das bedeutet, die Burschen haben den Motor sofort wieder aufgemacht und optimiert, sicher auch am Getriebe was verändert. Klar, wenn das extrem wendige Leichtgewicht plötzlich mit 34 bis 40 PS befeuert werden konnte, war das 1957/58 eine ziemlich harte Bandage für so manche Konkurrenz.

page32d.jpg (27051 Byte)

 

Die "Beilage zum Homologisierungsblatt (Testblatt) Steyr-Puch 500 Mod. Fiat" zeigt übrigens eine Motorhaube, die ich real noch nie gesehen hab. Dieses O.S.K.-Dokument stammt also offenbar aus den ganz frühen Tagen des Pucherls.

Damit hatte ich im Auftakt dieses Jahres schon ein sehr erfreuliches Plauderstündchen zum Thema 60 Jahre Steyr-Puch 500. Zugleich war mein Besuch bei Thaler der Anlaß für meine erste Ausfahrt mit einem Renault Zoe, den ich im Rahmen eines Carsharing- Projektes nutzen kann.

Der Vollelektriker macht jenen komfortablen Fahrstil möglich, den ich schon mit dem kleineren Mitsubishi i-MiEV kennengelernt hab: [link] Sehr ruhig und entspannt, ohne jegliche Verlockung zu kühnen Fahrmanövern.

page32e.jpg (37288 Byte)

Den kombiniere ich nun mit Autobus und Eisenbahn, nachdem ich beschlossen hab, mein eigenes Auto aufzugeben. Gewissermaßen ein Selbstversuch im Jahr des 60er Jubiläums jenes Puchschammerls, das übrigens auch mein erstes amtliches Auto gewesen ist; siehe: [link]

-- [60 Jahre Steyr-Puch 500] --


core | start | home
3•17