1. November 2024

Der weinerliche Kanzler-Prätendent

[Vorlauf] Ich habe hier schon einige Notizen darüber angebracht, worin sich Werbung und Propaganda unterscheiden. Was politische Parteien in Wahlkampfzeiten angeht, mache ich mir keine Illusionen. Da muß in jeder Richtung mit jeder Lächerlichkeit gerechnet werden. Meine Grundannahme lautet: Menschen haben Interessen. Sie verfolgen diese Interessen.

Das unterscheidet sich dann qualitativ in der Wahl der Mittel, die jemand für akzeptabel hält. Manche bedienen dabei eine nach unten offene Skala, um auch noch der letzten Schnarchnase, die auf dem Reflexionsniveau einer Scheibe Leberkäs herumdümpelt, zuzuflüstern: „Ich wäre gerne dein Messias!“ (Na, darüber freut sich manch einer.)


Wie unsäglich mir die Jammertöne meine Nerven quälen, in denen allemal die Narrative der FPÖ reproduziert werde. Man solle also und werde doch keine Partei „ausschließen“, aber manche werden das doch und andere vielleicht. Und die Werte der Demokratie? Erspart mir doch die Worte, liefert Taten und die bitte möglichst gemäß der Reglements unserer Republik.

Diese ermüdende Geschwätzigkeit von einem politischen Personal, das uns – je nach Stellung – die Schultern naßweint oder die Füße küßt. Ich verachte das. Redet nicht, handelt! Dann kann beurteilt werden, was euer Wort wert jeweils ist.

Ich komm aus dem Gemeindebau. Graz Münzgrabengürtel, siebter Stock. Aus jener Zeit kenne ich einen Typus des Jammerlappens, der stets seine große Klappe offen hat, wenn er sich sicher fühlt. Dann mault und goschert er ohne Bedenken, ist herablassend, auch beleidigend. Das läuft so, wenn er sich von seiner Clique beschützt fühlt. Doch wenn er eine aufs Maul kriegt, heult er Rotz und Wasser, jammert herum, verkündet lauthals, wie schlecht und gemein jene seien, die nicht in seinem Lager stehen.


Kommt Ihnen das womöglich bekannt vor? Haben Sie je einen Politiker erlebt, der gegenüber Andersdenkenden eine so nieder Reizschwelle zeigt, um sofort eine enorme Angriffslust zu entfalten, wie dieser Volkskanzler-Darsteller? Haben Sie je einen Staatsmann erlebt, der die Gewaltenteilung lachend ignoriert und etwa in Interviews das journalistische Personal derart harsch zurechtweist, wenn er seine Themen und seine Redezeit nicht durchkriegt?

Ich halte diesen Mann für eine Rüpel erster Ordnung. Seine aktuellen Wahlerfolge sehe ich unter anderem darin begründet, daß eine Menge Leute mit ethisch etwas wackeliger Ausstattung es super finden, wenn Andersdenkende „so richtig“ zusammengestaucht werden. Es gefällt Ihnen, wenn ein Kerl von augenscheinlich nicht gerader robuster körperlicher Konstitution es dennoch allen anderen „aber sowas von“ reinsemmelt.

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All die Häme, die Verächtlichkeit und die würdelosen Polemiken, die ich den Kanzler-Prätendenten bei einigen Live-Auftritten selbst habe hersagen hören, finden ihr fröhliches Publikum. Ich habe Mitmenschen, die halten es für es toll, wenn sich jemand von Rang so benimmt.

Das gibt Inspiration. Das bietet Legitimation. Und falls zwischendurch jemandem so ein bißl die Hand „ausrutscht“, sobald sich ein Gegenüber nicht als fügsam erweist, verdankt sich das einem Klima der Unbeherrschtheit, des Rüpelhaften. So ein Mangel an Impulskontrolle, der den einen oder anderen Schwall an Abschätzigkeiten zuläßt, führt bei manchen Leuten auch dazu, daß die Sicherungen schmoren. Kann gut sein, daß es dann knallt. In einer vorherrschenden Männerkultur zucken wir da nur die Schultern. [Fortsetzung]

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