23. September 2024
Wer braucht Gedichte?
Das Schreiben von Gedichten ist in meinem Fall eine sehr
stille Angelegenheit. Diese Stille ist eine Konsequenz von
meist recht lebhaften Vorgängen. Ich hab es in einem
Gespräch einmal so ausgedrückt: Für ein gutes Gedicht muß
ich ein Vielfaches mehr wissen, als dann im Text vorkommt.
Das ist ein andere Weg des Schreibens als ihn jene
gehen, die bloß ihr Inneres belauschen, um das, was sie
grade fühlen, in eine sprachliche Form zu bringen. Ich aber,
wenn ich Gedichte schreibe, habe die Intention Literatur zu
verfassen.
Das heißt, meine Lyrik hat nur diese
Aufgabe, gute Lyrik zu sein, welche
literarischen Kriterien standhält. Das
bedeutet, meine Gedichte haben nicht die
Funktion mich zu repräsentieren. Sowas
geschieht zwar in manchen Situationen, ist
aber im Grunde nachrangig. Wenn es
eine Veranstaltung wie unsere
Archipel-Premiere gibt, darf ich freilich
damit rechnen, daß ich mit den Texten
assoziiert werde und dafür Zustimmung, sogar
Zuwendung bekomme. Mehr noch, ich gehe davon
aus, daß es so kommt, weil ich weiß, was
meine Gedichte taugen.
Aber ich erwarte nicht, daß allgemein
verstanden wird, was für mich einen
bedeutenden Unterschied ausmacht. Ich
sehe mich, wenn es um die Qualität der
Arbeit geht, in der Tradition des
Handwerks. Es dreht sich um das, was man
früher Werkstolz nannte. Das
bedeutet auch, es geht nicht vorrangig
darum, daß ich als Person hervorsteche,
sondern daß mein Werk etwas taugt und
sich das in verschiedenen Situationen
erweist, bestätigt. Unsere große Session
im Gleisdorfer Forum Kloster hat mir
solche Bestätigung in hohem Maß
eingebracht.
.
Ich habe anderntags einige Male
gehört: „Genieße es!“ Aber
ja! Dieser Genuß ist bloß nicht von
der Art eines berauschenden
Abendessens. Er ist von einer sehr
unspektakulären Art, welche an der
eigenen Haltung etwas bewirken kann.
Der warme Regen erhöhter
Aufmerksamkeit ist jederzeit ein
feines Erlebnis. Aber er liefert
keine Klarheit für die eigene
Arbeit, für das Werk.
Publizistin Nicole Zepter hat es
einmal in einem Satz sehr treffend
zusammengefaßt: „Jeder Mehrzweck
entwertet die Kunst.“
Ich finde, ein Künstler, der etwas
taugt, sollte diese Belange
unterscheiden können: was gilt der
Person und was dem Werk? Es spricht
freilich nichts dagegen, als Autor
dann auch auf der Bühne kurz für ein
Publikum sichtbar zu werden, um
etwas von diesem warmen Regen der
Aufmerksamkeit abzuholen, wenn das
Ereignis der Beachtung wert war. [ Fortsetzung]
+)
An solchen Tagen: Dokumentation
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