4. Jänner 2023

Eine Wuchtel II

[Vorlauf: Teil I] Mein Ausgangspunkt war die Meldung, daß den russischen Rekruten angeboten wird, ihr Sperma kostenlos einzufrieren, bevor sie in den Kampf ziehen. Dazu würde ein russisches Mutterkreuz gut passen, weil Sperma alleine ja nicht viel nützt. Ich denke, das ist ein skurriles Beispiel für „Framing“, um einem jungen Kerl Heldentod und ewiges Leben per Nachkommen anzudienen. Aber muß sich dieses russische Regime überhaupt jemanden wohlgesonnen machen?

Schwer zu sagen, wenn man in der Oststeiermark hockt und aus dem geheizten Büro in die Welt hinaushorcht. Die Nazi mußten ihre Gasöfen runterfahren, wenn Ascheregen und Geruchsbelästigung in der Umgebung so stark wurden, daß das Volk zu murren begann. Jüngeres Beispiel: Im Iran werden wir schon bald sehen, wie die autoritären alten Männer mit ihren skurrilen Deutungen von Religionsfragen zurechtkommen und an der Macht bleiben wollen, wenn immer mehr zornige Frauen im Land dagegenhalten.


Aber zurück zum Verbrecher Putin und zu seinen Kumpanen, die er wird weiter bedienen müssen, um sein Alleinstellungsmerkmal in Fragen der Macht nicht zu verlieren. Macht? Verfügungsgewalt! Alleinstellungsmerkmal? Im Unterschied zum chinesischen Boss Xi Jinping, der eine Partei repräsentiert, die alles ist, er sicher nichts ohne diese Partei, ist Putin ein exponierter Räuberhauptmann, der vorerst offenbar allein entscheidet; und zwar zunehmend irrational.

Ich hab diesen Leuten ja nichts zuzurufen und mich interessiert auch das übliche Gezeter nicht, schon gar nicht gebe ich etwas auf „Petitionen gegen den Krieg“, die dann von 352 Kunstschaffenden unterschrieben werden. Das ist Pose und Pathos.

Mich interessieren diese Ereignisse bezüglich der Fragen, was das für Europa bedeutet, schließlich für Österreich als Teil Europas, schließlich für mich; und zwar genau dort, wo ich handlunsgfähig bin und konkret reagieren kann. Nicht mit dieser launigen Omnipotenzphantasie, Putin und Konsorten etwas zuzurufen, sondern zur Frage, was genau mein Part ist, um zur Stabilität der Republik und zur Zukunftsfähigkeit des Gemeinwesens etwas beizutragen.


Was ist also mein Anteil an diesem gesamten Kräftespiel, das im Großen ein Land, einen Kontinent stabil macht oder schwächt? Das ist nicht abstrakt! Was Putin und seine Räuber verkörpert, war über einen langen Zeitraum an zwei Tagen der Woche – Freitag und Sonntag – auf Gleisdorfs Straßen präsent, hat sich lebhaft unter die Unzufriedenen gemischt und sogar Fahnen geschwenkt.

Es war in diese Phase nicht möglich, hier zu erleben, daß Gleisdorfs Fraktionen diese Provokation im öffentlichen Raum und im öffentlichen Diskurs als Herausforderung angenommen und adäquat reagiert hätte. Es gab auch aus der Zivilgesellschaft keine bemerkenswerten Reaktionen, die über Gezeter wesentlich hinausgegangen wären.

Was also? Es blieb wesentlich der Polizei überlassen, die Gleisdorfer Aufmärsche zu begleiten. Und ein paar moderate, mittig bis links aufgestellte Leute fanden mehrmals an Wirtshaustischen zusammen, wo die Klappe aufgerissen wurde. Konsequenzen? Keine!

Ich denke an eine Redewendung: „Grabe wo du stehst!“ Das wurde Ende der 1980er zu einem Buchtitel: „Grabe wo du stehst: Handbuch zur Erforschung der eigenen Geschichte„ (Sven Lindqvist). Sowas hat natürlich mit der Frage zu tun wer ich bin und wie es dazu gekommen ist. Das drückt sich an manchen Stellen auch im Gemeinwesen aus, dessen Teil ich bin. Und so zeigen sich Verknüpfungen quer über den Kontinent, der ja eigentlich Eurasien ist, womit ich wieder bei Putin und den boomenden Neofaschisten angekommen wäre... [Fortsetzung: Teil III]

+) Asien und der Rest
+) Gleisdorf, Diskurs: Demokratie

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