30. November 2022

Schlampiges Raunen


Es ist ein Weilchen her, daß ich auf einen Abend mit Publikum zugegangen bin. Heute Abend darf ich allerhand Geselligkeit erwarten und daß der dargebotene Wein von erfreulicher Güte sein wird. Ob es darauf ankommt? Freilich! Sonst würde ich so einen Abend nicht brauchen. Ich rechne mit einer ausreichenden Dichte geistreicher Menschen und mit vorzüglichen Drinks.

Zugegeben, ich will als Künstler das Publikum nicht schlichtweg ignorieren. Als junger Kerl mochte ich die Vorstellung sehr, vor möglichst vielen Menschen aufzutreten. Das hält sich bei einem Autor meiner Kategorie in einigen Grenzen. Aber es gab derlei kuriosen Erfahrungen. Der Unterschied zwischen 30 bis 40 und 300 bis 400 Menschen ist eher unerheblich. (Mag sein, daß sich 3.000 bis 4.000 nennenswert anders anfühlen, vermutlich aber nicht.)


Im Kontrast zu den jungen Jahren, als ich noch von Zuspruch getragen werden wollte, ist mir heute möglicher Applaus wie ein zustimmendes Kopfnicken. Dann aber mag ich mich erstens der Gesellschaft angenehmer Menschen zuwenden, zweitens vorzüglichen Drinks und drittens will ich recht bald wieder an meine Arbeit, denn ich bin mit schönen Themen befaßt.

Europas Mythologie kennt meinen Patron. Hephaistos, der hinkenden Schmied, war von solcher Art. Ihm haben Götter gedankt, was er ihnen schuf, aber die Esse und die Aufgaben waren ihm wichtiger als die Ruhmeshalle.

Ich weiß auch genau, warum das wiegt. Hunderte Menschen, die mir einen Abend lang applaudieren, haben keinen nachhaltigen Einfluß auf mein Leben. Mit schönen Themen, guten Fragen, geistreichen Menschen und exzellenten Drinks ist das ganz anders.

Ich hab hier vorgestern ein wenig über die Kalenderblatt-Fraktion nachgedacht, über die stumme Enzyklopädie, dieses wachsende und wuchernde Werk der Folklore, also Volksweisheit, also Vox populi. Dieses schlampige Raunen mit Bergen von schlechten Grafiken. Eine endlos wummernde Kitschfabrik, die geistiges Leben simuliert.


Das Personal dieser Genie-Truppe findet sich offenbar in allen Milieus. Da erlebe ich zum Beispiel eine Gleisdorfer Akademikerin, eine Nebenerwerbs-Kritikerin aller Corona-Maßnahmen, die hat mir jüngst noch allerhand Zitate von Herbert Kickl aufgetischt. Zwischendurch war sie bei Erich von Däniken angekommen, kürzlich zitierte sie Hermann Hesse.

Na, da weiß ich doch gleich, daß diese Frau kein relevante Hausbibliothek hat und sich eher nicht durch die Kulturgeschichte von wenigstens Europa gelesen hat. Als ich ein Lehrbub war, sind in den Buchhandlungen noch Zitatensammlungen angeboten worden. Heute leistet das Internet solche Schnellwaschgänge. Kickl, Däniken, Hesse. (Ich brech nieder!) Das ist noch nicht einmal im Ansatz kohärent. Es drückt einfach eine andere Kultur aus, die mich langweilt.

Man muß solche Leute nicht belehren, denn sie dürfen sein, was sie sein wollen. Wir sitzen bloß nicht im selben Boot. Aber es ist der selbe Ozean, auf dem wir herumdümpeln, egal, welches Wetter kommt. Wovon ich aber eigentlich erzählen sollte: heute Abend geht es um 18:00 Uhr los. Die Gleisdorfer Session:

Vernissage • Ausstellung • Work in Progress
„Die Natur Mensch. Eine Annäherung.“
Monika Lafer (Malerin) und Martin Krusche (Autor)
Feistritzwerke-STEWEAG Gmbh
Gartengasse 36, 8200 Gleisdorf
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