1. September 2022

Nationalkitsch

[Vorlauf] Ja, ich wurde richtig verstanden. Ich amüsiere mich über Bildungsbürger, die uns nun seit Wochen auf Bertha von Suttner verweisen und ihren Buchtitel zum Mantra machen, was sich hübsch herunterbeten läßt: „Die Waffen nieder! Die Waffen nieder! Die Waffen nieder!“ Diese geistige Bequemlichkeit finde ich provokant.

Die aristokratische Dame hilft uns heute nicht weiter, um ganz konkret strategisch ansetzen zu können. Sie ist Botin einer Zeit und einer Kriegsart, in der Panzer, Flugzeuge und Maschinengewehre völlig neu waren.


Dazu kommt, daß ich unweigerlich an Sandra Bullock denke, wenn mir jemand das Wort „Weltfrieden“ daherblökt. Sie gab im Jahr 2000 „Dirty Harriet“ in „Miss Undercover“ und machte sich darüber lustig, wie vorzüglich ausgemergelte Missen Amerikas mit zurechtgemachten Haaren und knappen Klamotten diese Botschaft raushauen: „Weltfrieden!“

Pardon! Hätte so mancher neue Bourgeois nicht bloß Bertha von Suttner gelesen oder uns Gandhi aufs Brot geschmiert, sondern zum Beispiel - etwas zeitgemäßer – bei Gene Sharp nachgesehen, dann wäre schon klar: um ein autoritäres System anzugehen, muß man sich a) organisieren und b) eine klare Strategie entwickeln, die c) trainiert werden muß, um d) konsequent angewandt werden zu können.

Das ist der mühsamste Weg. Diese Option sehe ich für mich derzeit nicht. Also was nun, um beispielsweise den militärische-industriellen Komplex zu zügeln? Diese Leute werden sich ja ihre sagenhaften Profite nicht entreißen lassen oder freiwillig aufgeben..


Ist Ihnen etwa bewußt, daß Österreichs Behörden heute noch Untersuchungen laufen haben, um die Korruptionsfälle rund um den Eurofighter-Ankauf zu bewältigen? Heute, da wir diese Jets – soviel ich weiß – kaum noch in die Luft kriegen, so veraltet sind diese Waffensysteme.

Alternativen?
Daher meine Option: Vergiß Bertha von Suttner und Gandhi, das ist bestenfalls der Grundkurs für Einsteiger. Dann aber flott zu Leuten wie dem erwähnten Gene Sharp, um allenfalls den mühsamen Weg zu gehen: Organisieren, Strategien klären und trainieren, anwenden. So ein Organisationspotential sehe ich derweil in Österreich freilich nicht.

Ein für mich plausiblerer Weg betrifft unsere Politik, denn davon gehen jene Möglichkeiten aus, um über Gesetzgebung, Exekutive und Gerichtsbarkeit zu leisten, was ich oben erwähnt hab: den militärische-industriellen Komplex zügeln. Ferner das Land und schließlich Europa stabiler zu machen, um sicherheitspolitisch voranzukommen.

Und dabei auch die Neue Rechte in die Schranken weisen, die seit wenigstens 40 Jahren Europas Politik verändert hat, während die meisten von uns bloß zusahen. Ein Prozeß, den Vladimir Putin genützt und unterstützt hat. Jener Putin, den mir Leutchen hier als einen Akteur verkaufen wollen, der Amerika und die NATO bändigt. Blödsinn! Er promotet Nationalkitsch und rassistische Motive, um die Expansion Rußlands zu legitimieren.

Postskriptum: Putín
Putin ließ im Juli 2021 auf seiner persönlichen Leiste der Kreml-Website folgenden Aufsatz publizieren: „On the Historical Unity of Russians and Ukrainians“ [Quelle]

Darin heißt es unter anderem: „Russians, Ukrainians, and Belarusians are all descendants of Ancient Rus, which was the largest state in Europe. Slavic and other tribes across the vast territory – from Ladoga, Novgorod, and Pskov to Kiev and Chernigov – were bound together by one language (which we now refer to as Old Russian), economic ties, the rule of the princes of the Rurik dynasty, and – after the baptism of Rus – the Orthodox faith. The spiritual choice made by St. Vladimir, who was both Prince of Novgorod and Grand Prince of Kiev, still largely determines our affinity today.“ [Fortsetzung folgt!]

+) Asien (und der Rest)


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