11. August 2022

Wann ist Kunst?

Es geht auf Mitte August zu. Die Landpartie mit dem Ziel Neudau, um erstmals in die verlassenen Hallen der vormaligen Textilfabrik gehen zu können, ist für mich eine atemberaubende Markierung. Mit dem, was derzeit etwas nebulös Vierte Industrielle Revolution genannt wird, hat die Dampfmaschinenmoderne endgültig geendet, was die Digitale Revolution erst eingeleitet hatte. Dort also: Raum im Raum im Raum. Und Gespräche.


Vor welchem regionalen Hintergrund? Die kulturpolitischen Konferenzen quer durch die Steiermark sind in das Schweigen versunken, in dem sie zuvor auf den Weg gebracht wurden. Auf regionaler Ebene scheint sich das alles im gewesenen Show Act zu erschöpfen. Aktuell sehe ich wieder kulturpolitische Agonie, während einige Seilschaften ihre Budgets abgeholt haben. (Meine Notizen zum Thema: „Das Weizer Panel“.)


Zurück zum Erfreulichen. Die Eröffnung der Ausstellung mit Arbeiten von Joseph Beuys lieferte Denkanstöße. Auch wenn Person und Oeuvre gerne bildungsbürgerlich bereinigt und geschönt werden, mit diesen Motiven läßt sich arbeiten. Das ergibt einige Schnittpunkte zu den Konzepten von Künstler Joachim Eckl, der in Neudau dabei war.

Bei ihm fand ich Momente von Dürer und Malewitsch sowie Konsens, daß wir mit den künstlerischen Kräftespielen des 20. Jahrhunderts noch längst nicht fertig seien. Dürer ist wiederum ein Berührungspunkt mit Graphic Novelist Chris Scheuer. Er hatte als Kind begonnen, Zeichnungen von Dürer zu kopieren.) Scheuer war mit uns bei Beuys. Seine Reaktionen hab ich im „Zeit.Raum“ thematisiert. (Siehe dazu die Notiz „Scheuer, Beuys, Reflexionen“!)



Chris Scheuers Notizbuch

Im Gleisdorfer „Zeit.Raum“ werde ich kommende Woche den Bradbury-Moment mit Künstler Paul Wierbsinski notieren. Das hat mir Bäuerin Carmen Dreier-Zwetti eingebracht, auf deren Hof ich mich kürzlich mit meinem Fotografen Richard Mayr umgesehen hab, um mit ihrem Mann Stefan einige Fragen zu erörtern. (Das hat mit unserem Projekt „Funkenflug“ zu tun.)

Ich erwähne diese Details, um anschaulich zu machen, daß ich mich nie auf nur einen Aspekt wovon auch immer konzentrieren kann. Immer franst mir alles an den Rändern aus. Daher mein Faible für prozeßhafte Wissens- und Kulturarbeit. Die ist nicht a priori Kunstpraxis, schafft aber oft Rahmenbedingungen für künstlerisches Geschehen. (Ich werde das am Beispiel eines Moments mit Joachim Eckl noch verdeutlichen.)



Paul Wierbsinski

So ist auch die Bradbury-Session mit Wierbsinski nicht zum Kunstwerk geworden, sondern eine Notiz. Ich weiß schon, andere würden das nun als eine „Intervention“ herausstellen, als Kunstwerk hochstilisieren, aber so schlampig mag ich mit diesen Optionen nicht verfahren. (Folgerichtigkeit und Kohärenz sind wichtige Währungen meiner Arbeit.)

Es ließe sich auch aus jenem Kunstverständnis heraus klären, in dem ich mit Wierbsinski überraschenden Konsens fand. Das korrespondiert wiederum mit der Kunsttheorie von Boris Groys, die wir beide schätzen. Folglich ist für mich statt „Was ist Kunst?“ heute klar „Wann ist Kunst?“ zu fragen bleibt. (Die Sache mit dem Leviathan wird ich später noch näher erläutern.)

+) Der milde Levithan


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