10. Juni 2022

Umtriebe

Elsa hat Jasmin an der Leine. Oder es ist umgekehrt. (Elsa ist der Hund.) Das wird „Stadttraining“ genannt. Ich kann Elsas lebhafte Reaktionen gut nachvollziehen. Nach all den Jahrzehnten macht mich diese Umtriebigkeit in einem Zentrum nach wie vor (oder mehr denn je) unruhig. Zu viele Eindrücke in zu kurzer Zeit. (Vielleicht hab ich einfach verlernt, mich darin treiben zu lassen.)

Aber das liegt seit jeher im Wesen der Städte. Ich sollte also damit vertraut sein. Es ist ja eine Jahrtausengeschichte. Das erinnert mich an Mark Blaschitz vom SPLITTERWERK. Er brachte mich nicht bloß auf „Learning from Las Vegas“. Mark erzählte mir, die Baukunst sei aus dem Kultischen entstanden, nicht aus der Wohnraumbeschaffung.


Da ist vom Neolithikum die Rede. Als die Menschen noch Jäger und Sammler gewesen sind, fanden welche für längere Zeit zusammen, um die atemberaubende Anlage von Göbekli Tepe zu bauen. Die liegt in der heutigen Türkei. (Ich hab seinerzeit üben müssen, das ohne Panne auszusprechen.)

Städte. Und Sprache. (Natürlich sind Städte eine in Stein gehauene, heute vor allem in Beton gegossene Sprache!) Ich hab mich vorige Woche mit einem jungen Kerl unterhalten, der gemeinsam mit seinem Vater ein Abrißunternehmen betreibt und Erdbewegung anbietet. Die Burschen fahren nicht mit der Abrißbirne in eine Hütte rein. Das ist Hollywood.

Rückbau ist ein komplexes Gewerbe, bei dem man viel über Werkstoffe und Statik wissen muß. (Klar, auch der Bagger gibt Statements ab.) Jasmin spricht mit allem, was verfügbar ist, staunt aber über Wortgewalt. Ich bin ein seit Jahrzehnten geübter Textsprecher. Das sorgt vor allem in Konfliktsituationen für sehr viel Angriffslust derer, die ihre Schwerpunkte in anderen Bereichen haben. (Doch das eigentlich Wirkmächtige in menschlicher Gemeinschaft ist die Schrift.)


Also! Einige Drinks im Stadtzentrum, lebhafte Gesellschaft, und ich hab wieder Tage zu grübeln. Natürlich bin ich nicht bloß im Text zu Hause. Oft brüllen mich Bilder an. Oder Ereignisse frieren in einer Szene ein. Jüngst dieser Klassiker des Tagesbeginns. Mein Körper war schneller aus dem Bett als mein Verstand.

Das führte zu einem Kaffee-Fiasko und wer’s kennt, weiß auch, was einem das dann beim Saubermachen abverlangt. Heißer Kaffeesud ist wie ein Wüstensturm, setzt sich überall, wo er hinreicht, fest. So kam das Bild zustande („konstruktiver zwischenschritt zu kaffee 2.0, phase II: die dekonstruktion eröffnet einen klaren blick auf den ankommenden tag“).

Wie so oft reagierte Heinz Payer darauf mit einem visuellen Akzent und notierte dazu: „ein bisserl banksy muß sein“. Genau so ereignet sich das alles: Wir erzählen einander die Welt!


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Payers Antwort auf meine gestrige Notiz: