6. April 2022

Und der März 1934?

Ja, danke, ich hab durchaus eine brauchbare Vorstellung, was Pazifismus meint und ich verstehe, daß jemand Waffen sowie deren Gebrauch prinzipiell ablehnt. Mir ist das Thema seit wenigstens 50 Jahren vertraut. Ich hab von dieser Seite her immer wieder gute Denkanstöße bezogen.

Ich deute es als eine unverzichtbare Grundlagenarbeit, sehe aber derzeit noch keine Möglichkeit, das im angewandten Bereich umfassend zu etablieren. Sie können gerne anderer Meinung sein und sie können mich auch gerne weiter zu belehren versuchen. Ich schlage vor: machen Sie noch ein paar Hausübungen, dann können wir tiefer in die Sache reingehen.


Die Kurzfassung: ich lese nicht bei Mahatma Ghandi nach, wenn ich über die reale Konfrontation mit einem autoritären Regime nachdenke. Ghandi war mit einer Kolonialmacht konfrontiert. Ein repressives Regime würde bei uns ja von den eigenen Leuten gestellt werden. Das ergibt einen zarten Unterschied. Da lese ich lieber bei Gene Sharp nach.

Ich habe mich klar für einen kontrollierten Waffengebrauch ausgesprochen, der Professionals vorbehalten ist, die vom Staat ein konkretes Mandat haben, weil wir diesem Staat das Gewaltmonpol übertragen haben. Wenn Sie mich deshalb als Militarist einschätzen, steht Ihnen das frei, es ist in der Sache freilich Mumpitz.

Kleiner Einschub: daß sich ein Februar 1934 nicht wiederholen kann, müssen wir politisch sicherstellen. Dafür sind wir alle in der Pflicht. Dazu braucht es eine stabile Gewaltentrennung, einen starken Parlamentarismus und ein Staatsvolk, das sich in jedem Ort des Landes als politisch anwesend bewährt, Mauscheleien und Buckeleien nicht akzeptiert, all die Arten Verhaberungen, die wir kennen, nicht hinnimmt.

Wer also da Gefahren a la 1934 sieht, sollte vielleicht erst einmal Beiträge leisten, daß Österreich von seinem hohen Rang im internationalen Korruptionsindex runterkommt und daß jede Gemeinde im Land gerüstet ist, unethisches Verhalten von Funktionstragenden abzustellen. Aber zur Sache!

Die Tendenz zum Staat im Staat, Varianten des Mafia-Prinzips, solche Kräftespiele kennen wir auch in Österreich. Da gibt es Netzwerke, die haben auf illegale Art Personal in Waffen. Solche Leute müssen im Konfliktfall mit einer bewaffneten Antwort des Staates rechnen. Lies nach bei Saviano oder wo auch immer! (Es gibt genug seriöse Quellen, die uns über das organisierte Verbrechen fundierte Information anbieten.)


Darf ich an die Schüsse von Wien erinnern? Das ist zwar der Sonderfall, aber sowas kommt vor. Daß nämlich ein Sektierer sich hochrüstet und mit der entsetzlichen Feuerkraft eines automatischen Karabiners mitten unter die Menschen geht, um wahllos zu töten. (Siehe dazu den Eintrag vom 7.11.2020: „Was lese ich heute über die Kanaille von Wien?“) Es hat Vorteile, daß neun Minuten nach dem ersten Notruf eine Sondereinheit auf dem Set aktiv wurde, um dieses Töten abzustellen.

Ich hab damals in jener Glosse notiert: „Der junge Mann, der etwas werden möchte, der das erreicht, indem er auf Kosten anderer expandiert, ringt um Legitimität. Darum trompetet er ständig sein ‚Respekt und Ehre!‘ wie Kinderbuchelefant Benjamin Blümchen sein ‚Töröööö!‘“

Damit bin ich bei einem Grundproblem, das einer waffenlosen Gesellschaft noch im Weg steht. Damit bin ich bei einem sehr anregenden Buch von Emina Saric. In „Ehre, Scham und Schande. Warum wird Frauen Gewalt angetan?“ analysiert sie dieses hohe Level an Gewaltbereitschaft der Männer in einer vorherrschenden Männerkultur, deren Zusammenhänge und wie solche Dispositionen gelebt, wie sie legitimiert werden.

Wir haben noch viel Arbeit vor uns, um all das neu zu justieren. Undenkbar, daß selbst drei bis fünf Genrationen dafür reichen. Deshalb bin ich für das Gebot des Gewaltverzichts innerhalb unserer Gesellschaft, für das reglementierte und kontrollierte Gewaltmonopol des Staates, für bewaffnetes Personal, um die Einhaltung dieser Konventionen durchsetzen zu können. Falls Sie es besser wissen, um das zu erreichen, okay, dann machen wir es anders. Werden Sie einfach konkret!

+) Mai acht


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