23. Februar 2022

Mai acht

Ich hab nun meine neue Projektleiste aufgemacht. Eine laufende Erzählung, die sich über die Wochen bis zum 8. Mai hin entfalten soll, dem Tag, an dem unser Faschismus militärisch geschlagen war. Geistig ist das bis heute nicht gelungen, wie auch gerade die aktuelle Gleisdorfer Unruhe belegt, denn diese Protestbewegung hat antisemitische und neofaschistische Anteile.

Ich erlebe, wie eine Gleisdorfer Bourgeoisie dem völlig hilflos gegenübersteht und einen Gemeinderat feiert, dessen konkrete Leistung in diesem Konflikt mir immer noch völlig schleierhaft ist. Allerdings wurde klar, daß die politischen Formationen im Rathaus auf politische Stellungnahmen bisher verzichtet haben.


Ich kenne bisher bloß soziale Argumente (Ruhestörung, Ängstigung der Anrainer) und wirtschaftliche Argumente (Umsatzeinbrüche durch Protestaktionen). Auch das Kulturvölkchen schweigt umfassend. Immerhin haben schon einige situierte Leute laut über eine Revision der Bürgerrechte nachgedacht.

Da also nicht nur hier, sondern landesweit, europaweit, die Republik angefochten wird, das bestehende Demokratiekonzept für obsolet erklärt wird, sind Antworten und laufende Diskurse nötig. Ich bin dabei mit zwei Optionen versehen.

Als Künstler hab ich mit künstlerischen Mitteln zu reagieren, was einschließt, auch künstlerische Mittel anderer zu nutzen. Das hat mit dem serbischen Künstler Selman Trtovac zu tun, der mich in beiden Punkten ermahnt hat, also den Part des Künstlers zu beachten, der kein Sozialarbeiter ist, und außerdem: „Mi volimo i umetnost drugih“ („Wir lieben auch die Kunst der anderen“). [Link]

Die zweite Option liegt in Mitteln der Wissens- und Kulturarbeit. Da ist dann vor allem das Diskursive zu Hause. Ich werde die Erzählung „Mai acht“ im Kern über drei Kapitel entfalten, die dem Großen Krieg, dem Zweiten Weltkrieg und dem Untergang Jugoslawiens gewidmet sind.



Abbildung aus dem Essay von Taschwer

Launiger Zufall: am 20.2.22 bekam ich Post von Autor Klaus Taschwer, der sich augenblicklich mit einer wesentlichen Vorgeschichte befaßt, in die meine Familie verstrickt war: „Der Anfang des Befreiungskampfes aller Arier“. (Zur Geschichte des Antisemitenbundes 1919 bis 1921) [Link]

Da ist also der ganze Bogen zu betrachten, von den Wegbereitern des Faschismus zu den Debatten, wie sie in der Habermas-Kontroverse geführt wurden, über die 1990er und das Ende Jugoslawiens… Bis in unsere Gegenwart, wo vor Gleisdorfs Kirchriegel plötzlich die Standarte des russischen Präsidenten Putin geschwenkt wird und ich via Social Media feststellen kann, daß hier auch Neofaschisten zugange sind.

Die Erzählung „Mai acht“ beginnt mit dem bewegenden Gedicht „My Boy Jack“ von Rudyard Kipling aus dem Jahr 1915. Er hatte seinen Sohn bedrängt in den Krieg zu ziehen und verlor ihn dort:

“Have you news of my boy Jack?”
Not this tide.
“When d’you think that he’ll come back?”
Not with this wind blowing, and this tide.

[…]

Mit fällt dazu immer eine Passage aus dem Gedicht „Raglan Road“ von Patrick Kavanagh ein: „And I said, let grief be a fallen leaf at the dawning of the day."

+) Mai acht (Eine Erzählung)
+) Die Gleisdorfer Unruhe


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