27. Jänner 2022
Vergeigt
Ein amüsanter Begriff aus unsere
Umgangssprachen, denn ein Fehlgriff beim Geigenspiel ist
unerbittlich hörbar. Da läßt sich nichts verbergen. (Ich hab
als Kind einige Zeit Geigenunterricht hinnehmen müssen, weiß
also, wovon da die Rede ist.)
Das aktuelle Äquivalent
lautet für mich nun: „versägt“. Tönt nicht ganz so schlimm,
sieht aber erbärmlich aus. Als das Sägeblatt ein gutes Stück
im Stahl abwärts marschiert war, fiel mir zu spät auf, daß
ich eben die Markierung berührt hatte, wo es doch darum
ging, den Rohwürfel so vom Barren zu schneiden, daß außen
Spielraum bleibt.
Ferdinand Micha Lanner hatte mir davor noch geschrieben:
„Man kann nur was wegfeilen, nichts dazufeilen.“ Ich
spannte den Barren also neu ein, um von der anderen Seite zu
sägen und den vorhandenen schrägen Schnitt zu treffen, was
völlig schiefging. Handwerker Tom Kada fragte: „Wie?“
Das meinte wohl: „Wie bekommt man auf drei mal drei
Zentimeter so ein Schnittmuster hin?“
Na, nichts
einfacher, als ein Werkstück zu ruinieren. Gut, ganz so hart
kam es nicht. Meister Lukas meinte bloß lächelnd: „Wird
er halt kleiner.“ (Der Würfel.) Das zieht eine Menge
Arbeit nach sich, weil der handliche Brocken ja auf der
x-Achse vier Flächen hat, auf der y-Achse weitere zwei. Am
Ende müssen alle Flächen plan und alle Kanten gleich lang
sein, wenigstens im Zehntel-Millimeter-Bereich.
Ich
hatte davor keine Ahnung, welch großen Abstand ein
Zehntelmillimeter ergeben kann. Und selbstverständlich alle
Winkel 90 Grad. Themenwechsel! Es ist viele Jahre her, daß
Büchsenmacher Franz Lukas das Jagdgewehr durch den
Fotoapparat ersetzt hat. Seine Leidenschaft gilt unter
anderem rarem Federvieh, bunten Vögeln, denen man mit großer
Geduld begegnen muß. Da sollen der Augenblick, die Pose und
das Licht passen. (Das hatte der vormalige Jäger natürlich
tausendfach geübt.)
In dieser Obsession liegt bei Lukas ein Schnittpunkt mit
Fotograf Richard Mayr. (Derzeit bin ich beiden in
verschiedenen Kooperationen verbunden.) Die Männer kennen
einander gut und absolvieren manche Reise, um gemeinsam zu
fotografieren. Es ist also entsprechend unterhaltsam, wenn
ich beide an einem gemeinsame Tisch hab, in dem Fall der
Tisch von Meister Lukas, bei dem ich mir eben die nächsten
Lektionen geholt hab.
Die Bewältigung von Stahl, mit
bloßen Händen und Werkzeug, aber ohne Maschine, wird nun zum
Thema in meiner nächsten Episode für den Gleisdorfer „Zeit.Raum“.
Was mich als Fragen nach der „Ehre des Handwerks“
beschäftigt, hat diese physische Ebene, auf der es keine
Ausreden und keine Abkürzungen gibt.
Das schätze ich
momentan sehr in diesen Corona-Monaten, wo so viel Unruhe
aufkommt, Ansichten kollidieren und praktisch alle Menschen,
die ich treffe, mit Wissen über die Pandemie daherkommen.
Data Overflow und kaum Klarheiten, wenig solide wirkende
Informationen, viele Fragen.
Da geht es in der Werkstatt ganz anders zu. Fundiertes
Wissen und bewährte Prozeduren bringen meist gut
überprüfbare Ergebnisse… oder werfen einen zurück an den
Start, während man Gelegenheit hatte, ein bißchen klüger zu
werden. Ich bin ja in jener Session prompt zu bedenkenlos in
den Stahlbarren hineingegangen, als hätten mich die paar
Stunden Vorlauf dafür qualifiziert… Mit dem eingangs
erwähnten Effekt. Ich hab fast die doppelte Strecke dessen
sägen müssen, was bei konzentrierter Arbeit nötig gewesen
wäre. (Tom Kada: „Diese leeren Kilometer schmerzen am
Anfang am meisten.“)
Postskriptum
Ich hab nun nachgesehen. Eine gemeinsame Arbeit mit Franz
Lukas und Richard Mayr (zuzüglich Andreas Turk) fand im Jahr
2011 statt, liegt also zehn Jahre hinter uns: „Und was,
wenn ich sie vielleicht gewinnen kann, erstens in einen
Dialog zu treten und zweitens einen gemeinsamen Gang auf
kreative Felder zu unternehmen? Würden sich die
grundlegenden Rollen-Optionen so auf eine neue Art
kombinieren lassen?“ [Quelle]
PPS
Franz Krump meinte: „... und
schön im Kreuzschliff bitte.“ Eva Itzlinger notierte,
„das erinnert mich an die erste Klasse in der HTL, die
wir fast zur Gänze am Schraubstock verbracht haben.“
Man ahnt also, was noch vor mir liegt.
Mathias
Schaffer schrieb, das „erinnert mich auch an meine
HTL-Zeit, feilen und schruppen ist natürlich ein schönes
Handwerk, für 14jährige auch ein Akt der Disziplinierung und
manche Werkstattpädagogen fehlte im Prinzip nur noch die
Uniform.“
Bernhard Weber notierte, dies war
„eine der ersten Aufgabenstellungen, die wir in der HTL im
Werkstättenunterricht hatten. War ganz schön ernüchternd für
uns Schüler die als zukünftige Nachrichtentechniker eher auf
Transistoren, Lötkolben und Software gepeilt waren. Und die
Lehrer hatten nicht den pädagogischen Feinschliff von Franz.
Aber wie es manchmal im Leben ist: aus dem Rückspiegel
gesehen war es gut und sinnvoll.“
[Kalender]
[Reset]