12. Dezember 2021

Neofaschismus

Ich bleibe dabei, mit der Zuschreibung „Faschismus“ ist ein ebenso achtsamer wie sparsamer Umgang geboten. Mit dem halbseidenen Begriff „faschistoid“ kann ich überhaupt nichts anfangen. Man muß bei diesem Thema sehr genau sein.

Nun ist es nach Jahrzehnten das erste Mal, daß ich mich entschieden hab, diese Zuschreibung zu verwenden, und zwar in der Version „Neofaschismus“. Das bezeichnet zwar ursprünglich ein spezielles Setting in Italien, aber ich will diese Dinge für alles, was nun vor uns liegt, nicht zu kompliziert machen.

Ich denke, aus Italien, woher ja auch der historische Faschismus stammt, werden keine Einwände kommen, wenn ich Neofaschismus sage, um einen Unterschied zu machen. Einen Unterschied a) zum ursprünglichen und historischen Faschismus sowie b) zu den vielfältigen Varianten, die sich daraufhin entfaltet haben.



Ich hatte in Gleisdorf schon öfter Tänzchen mit vaterländischen Akteuren

Meines Wissens haben sich übrigens die Nazi in keiner wesentlichen Quelle selbst als Faschisten bezeichnet, wurden aber in der Zeit und danach so eingeordnet. Wenn zum Beispiel südslawische Leute „Smrt fašizmu, sloboda narodu!“ riefen, also „Tod dem Faschismus, Freiheit für die Menschen!“, meinten sie ja vorrangig Nazi und nicht Italiener.

Ich habe vor etlichen Jahren, als Otto Köhlmeier Gleisdorfs Kulturmanager war (1996 bis 2003), versucht, die Veranstaltungsreihe „Wir Kinder der Barbaren“ zu etablieren. Das hätte seitens der Kommune etwas Begleitung und Verstärkung brauchen können, um ein wenig Kontinuität zu schaffen. Diese Kräfte gingen dann aber mehrheitlich in die PR-Arbeit für die Landesausstellung „Energie“ (2001). Von der Basis kam zu diesen Themen auch nichts. Pech!

Es gab seither keine einzige Person in Gleisdorfs Kulturreferat, die diesem Thema des alten Faschismus und der Neuen Rechten etwas mehr Aufmerksamkeit und Engagement gegönnt hätte, außer gelegentlich die Arbeit von Wolfgang Seereiter mitzunehmen oder ein Mahnmal zum Antisemitismus zu ermöglichen. So Kleinigkeiten, einzelne Momente, aber keinerlei Kontinuität.

Ich erinnere mich gut, daß quer durch Europa ab den 1980er Jahren deutlich wurde, wie markant sich eine Neue Rechte formieren konnte, die ihre Inhalte gründlich überarbeitet und ihre Sprache gesäubert, geglättet hatte. Es wurden ihre Themen so formuliert, daß die Botschaft klar blieb, aber eine Gesetzesverletzung vermieden werden konnte.



Meine Leute: Großvater Karl war schon vom Fach, da gab es noch gar keine Nazi.

Der exemplarische Trick, den sie heute in allen Varianten finden, von Andreas Mölzer (FPÖ) bis Andreas Khol (ÖVP): „Wurde ein Gesetz verletzt? Dann klagen Sie! Nein? Dann ist ja nichts daran auszusetzen!“

Gleisdorf im Jahr 2014. Ich hab damals zu unserem Kunstsymposion „the track: axiom | 2014“ und im Rückblich auf die hundert Jahre nach dem Großen Krieg eine zuversichtliche Annahme formuliert. Ich notierte in Richtung vaterländischer und neofaschistischer Kräfte: „Unsere Erzählungen werden Eure Botschaften überdauern.“ [Quelle]

Es wäre hilfreich gewesen, wenn die lokale Kulturpolitik und die primären Kräfte Kulturschaffender wenigstens etwas mehr Energie auf diese Themen verwendet hätten. Der heutige Rückblick macht klar, daß Kunst und Kultur zunehmend als Mägde des Marketings dienen mußten, wogegen keine deutlichen Einwände laut wurden, und daß unsere lokale Gesellschaft wieder auffallend von der Partizipation zur Konsumation tendiert. Voilá! Die Ernte ist da!

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