2. Dezember 2021
Eine pluralistische Gesellschaft
Was für
eine interessante Situation! Unsere Gesellschaft ist durch
die Seuche enorm unter Druck geraten. Das schärft Konturen
und Kontraste. Etliche Menschen in der Politik und in
staatlichen Einrichtungen haben uns nun schon über ein Jahr
lang staunenswerte Stümpereien zugemutet, während andere
Kräfte sich neben ihnen bis zur Erschöpfung verausgaben.
Offenbar entdecken wir derzeit in jedem gesellschaftlichen
Bereich getrennte Lager, die einander Ratschläge zustellen,
welche einander zum Teil widersprechen.
Ich glaube
nicht an die seit Monaten ausgerufene „Spaltung der
Gesellschaft“, denn wir waren schon vor der Seuche weder
eine homogene Untertanenschicht, noch eine überwiegend
geeinte Gesellschaft. Aber ohne eine Bürde wie Covid-19
(oder große Flüchtlingsbewegungen) kommen diese Trennlinien
und auch Brüche meist nicht so hart zur Wirkung.
Ich hab in meinen Glossen schon beschrieben, wie ich den
Umgang mit geteilten Lagern erlebe. Wollte ich heute nur mit
Menschen zusammenarbeiten, die es mit der Seuche in Details
genauso halten wie ich, wäre ich ein wenig einsam geworden.
Für mich ist es längst ganz normal, daß ich laufend mit
Leuten zu tun hab, die höchst unterschiedliche Auffassungen
vertreten, wie a) mit der Viren-Situation und b) mit den
Reglements der Behörde umzugehen sei.
Ich verbringe
keine Zeit mit lauen oder langweiligen Menschen, weshalb ich
an jenen festhalten will, die mir mit der Zeit interessant
geworden sind. Darunter denken und handeln bezüglich Corona
etliche ganz anders als ich. Nun betreibe ich aber keine
„Gesinnungsschnüffelei“, denn jeder Mensch soll denken und
sagen was er will. (Ich bevorzuge dazu bloß Konventionen für
das, was via Massenmedien verbreitet werden kann.)
Ich habe kein Bedürfnis, jemanden zu belehren. Ich pflege
laufenden Umgang mit volljährigen Menschen. Die ziehen ihre
Schlüsse, treffen ihre Entscheidungen. Manches davon mache
ich ganz anders. Manches davon mißfällt mir. Aber es genügt
mir privat völlig, wenn mir ein achtsamer Umgang miteinander
angeboten wird. Das ermöglicht uns die Zusammenarbeit.
Außerdem halte ich das Miteinander für unverzichtbar.
Und die Auffassungsunterschiede? Die mögen bestehen. Sie
entscheiden nicht darüber, mit wem ich Umgang habe und mit
wem nicht. Das Benehmen bestimmt unser Auskommen
miteinander. Wer seine gelegentliche Angriffslust nicht
bezähmen kann, wer andere beschimpfen muß, wer sich
menschenverachtende Posen leistet, ist mich los. Da brauche
ich keine Diskussion, das regle ich umgehend. Siehe dazu den
vorigen Eintrag „Spannungsabfuhr“!
Wer gegen aktuelle Reglements verstößt, muß das mit der
Behörde klarmachen. Ich dagegen bin kein Hobby-Sheriff. Ich
würde mich bloß einmischen, wenn neben mir jemand einen
anderen Menschen bedrängt, bedroht oder körperlich angreift.
Ansonsten hat mich ja niemand zum Revisor berufen, auch
nicht zum Schnellrichter ernannt.
Wenn das nun eine
pluralistische Gesellschaft sei, die auf Antwortvielfalt
setzt und Widersprüche erträgt, wenn das Fundamente einer
Demokratie sind, dann haben wir jetzt gute Gelegenheiten,
die Qualität unserer Standpunkte zu überprüfen.
+)
Kontext Covid-19
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