8. November 2021

Im Wir auf mich gestellt

Ich kann Ihnen ja nichts raten, weil mir die Sachkenntnis fehlt, erstens die Komplexität der Situation zu sortieren und zu bewerten, um zweitens verläßliche Maßnahmen für ein ganzes Gemeinwesen daraus abzuleiten. Aber eines weiß ich verläßlich und halte es für unanfechtbar: mit der Natur kann man nicht verhandeln.

Also gilt jetzt Eigenverantwortung mehr denn je und wer sich da rausreden, auf die Behörde oder sonst wen ausreden will, wird an der aktuellen Faktenlage nicht vorbeikommen. Für den Bezirk Weiz hieß es laut „Kleine Zeitung“ vorgestern: „Fünf nach zwölf: Weizer Krankenhauspersonal protestiert“. Das steht in einem größeren Zusammenhang und könnte uns verdeutlichen, wie wir diesmal mit Einwänden oder Gezänk nicht davonkommen, weil jemand etwas besser zu wissen meint als andere.

Wenn uns in der letzten Zuflucht für Erkrankte das Personal ausgeht, geht für Klugscheißer und Polemiker das Licht aus. Ich muß spätestens jetzt mit meinem Laienwissen entscheiden, wie ich mich draußen vor der Tür verhalte, um möglichst sicher zu bleiben. Denn mit der Natur kann man nicht verhandeln.

Im Blatt hieß es: „In ganz Österreich werden Ärzte und Pflegekräfte am Mittwoch mit einer Protestaktion auf Missstände im Gesundheitsbereich aufmerksam machen. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LKH Weiz gehen auf die Straße.“ [Quelle]

Ich hab mich samstags noch gewundert, welche enorme Menschenschlange sich über den ganzen Tag lang bei der Gleisdorfer Covid-Teststraße verdichtet hatte, denn das spielte sich unter meinem Bürofenster ab. Ich kapierte erst sonntags: da die Behörde ab Montag „2G“ fordert = geimpft oder genesen, standen die Leute für Impfungen an.

Der ORF berichtete gestern: „Am LKH Graz musste nun eine ganze Station mit 30 Betten wegen fehlender Pfleger und Pflegerinnen geschlossen werden.“ [Quelle] Okay. Ist das jetzt angekommen? Bettenzählen bringt uns nicht weiter. Ich denke, seit wenigstens einem Jahr sollten auch interessierte Laien gehört haben, daß die Branche europaweit eine enorme Dropout-Quote hat.

Das Personal verreibt, viele geben wegen zu hoher Dauerbelastung den Job auf. The International Council of Nurses hält uns da eh auf dem Laufenden. Auch das macht klar: mit der Natur kann man nicht verhandeln.

Ich bin fast gerührt, mit welchem Eifer mir völlige Laien immer noch die Komplexität der Situation erläutern, zum Beispiel den Sinn oder Unsinn von Inzidenzzahlen. Ich hab einen sehr gut trainierten Verstand, schau mich laufend um, würde es aber nicht wagen, Schlüsse zur Lage der Nation zu präsentieren.

Bin ich hier der Dorfdepp? Es muß so sein. Wesentlich smartere Leute umgeben mich im Ausmaß ganzer Rudel. Na gut! Aber! Mit der Natur kann man nicht verhandeln.

Apropos Inzidenz! Schon vor Corona war eigentlich klar, daß dieser Begriff verifizierte Neuerkrankungen in einem konkreten Zweitfenster nennt. Das und nichts anderes bedeutet der Begriff. Wenn nun die Kurve plötzlich so hochfährt, wie während weniger Tage in meinem Bezirk, weiß ich noch nicht viel. Aber das weiß ich: mehr Menschen als uns guttut, waren sehr unvorsichtig oder hatten enormes Pech.

Die Behörde wird darauf mit harten Maßnahmen reagieren. Das passiert JETZT. Wer es nun besser weiß: viel Glück und gute Reise! Mich beschäftigt eher, was all das für meine eigenen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten bedeutet. Wie organisiere ich meine Arbeit und mein Leben unter diesen Bedingungen und in Korrespondenz mit anderen Menschen?

Und wie ordne ich das als Teil eines Gemeinwesens, wo es nicht bloß darum geht, daß ich allein vorteilhaft davonkomme? Schon meine bisherigen Corona-Pandemie-Erfahrungen haben mehr als deutlich belegt, daß ich auf ein „Wir“ angewiesen bin. Über das bloße „Ich“ bleibt meine Lebenssituation nicht stabil, zumal man mit der Natur nicht verhandeln kann.

+) Kontext Covid-19


Fußnötchen

Wir waren am 21.09.21 mit der Inzidenz das letzte Mal unter 100, nämlich bei: 94,6. Die Kurve der letzten Tage:

+) 01.11.21: 578,6 (Österreich: 391,9)
+) 02.11.21: 597,3 (Österreich: 408,7)
+) 03.11.21: 622,6 (Österreich: 430,1)
+) 04.11.21: 711,6 (Österreich: 481,2)
+) 05.11.21: 783,1 (Österreich: 522,4)
+) 06.11.21: 810,6 (Österreich: 566,8)
+) 07.11.21: 773,2 (Österreich: 599,6)
+) Quelle


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