17. Februar 2021
The Great Hunger
His dream changes like the cloud-swung wind And
he is not so sure now if his mother was right When she
praised the man who made a field his bride. Watch him,
watch him, that man on a hill whose spirit Is a wet sack
flapping about the knees of time. [Quelle]
Man muß nicht erst ins Mittelalter zurückblicken, um zu
entdecken, welche Erfahrungen in Europa gemacht wurden, wenn
Bedrohungen so massiv ausfielen, daß nur die Flucht blieb.
Derlei Katastrophen wirken übrigens in etlichen
Folgegenerationen nach.
Es wird eher unterschätzt, wie traumatisch zum Beispiel der
Dreißigjährige Krieg sich (1618 bis 1648) auswirkte. Vieles
weist darauf hin, daß die mentalitätsgeschichtlichen Folgen
bis in die Gegenwart reichen. Ich greife ein Beispiel der
immer noch laufenden Diskussion darüber heraus: „Der
Dreißigjährige Krieg ist bis heute tief im Gedächtnis
verankert. Vor 400 Jahren begann der längste Krieg der
deutschen Geschichte. Er ist die Summe all dessen ist, was
Menschen nicht erleben wollen.“ [Quelle]
Ich hab im Eintrag
vom 15.2.2021 eine Passage aus dem Gedicht „The
Rhythm Of Time“ des irischen Rebellen Bobby Sands
zitiert. Ein anderer irischer Text (den ich hier eingangs
zitiert habe) erinnert daran, daß eine Hungersnot gut eine
Million Menschen getötet hat. Weitere eineinhalb Millionen
Menschen flüchteten damals vor diesem Elend, gingen vor
allem nach Kanada, Australien und Amerika.
Poor
Paddy Maguire, a fourteen-hour day He worked for years.
It was he that lit the fire And boiled the kettle and
gave the cows their hay. [Quelle]
Die Macht- und Besitzverhältnisse (englische Herrschaft) hatten
die meisten irischen Leute zu Pächtern gemacht. Was sie an
Getreide und Fleisch produzierten, mußte überwiegend auf den
Markt getragen werden, um die Pacht bezahlen zu können. Billige
Kartoffel waren deshalb eine wichtige Nahrungsgrundlage der
Bevölkerung.
Weitreichenden Monokulturen begünstigten den
Schädlingsbefall. Dazu kam der Tambora-Ausbruch (Indonesien) von
1815, von dem eine nahezu globale Klimakatastrophe ausgelöst
wurde, die auch bei uns (Raum Österreich) zu Mißernten führte,
zu Hunger und zu einem großen Pferdesterben (was die Wirtschaft
Zugkraft kostete).
Drei Viertel der irischen Bevölkerung
lebten damals von der Landwirtschaft. Pachtland war knapp. Ab
1816 kam es in Irland zu einer Serie von Kartoffelmißernten. Die
(mangels Fruchtwechsel) ausgelaugten Böden und die
Kartoffelfäule („blight“) führten zu einer Katastrophe, der sich
die englische Staatsmacht nicht angemessen widmete.
An old man fondling a new-piled grave: 'Joe, I hope you
didn't forget to hide the spade . For there's rogues in the
townland. Hide it flat in a furrow. I think we ought to be
finished by to-morrow. [Quelle]
Es müssen also nicht erst Bomben fallen, daß Menschen
sterben und andere flüchten; und zwar im Ausmaß von Millionen.
Europa kennt das zur Genüge. Aber vielleicht wollen viele unter
uns nicht daran erinnert werden. Wer die Geschichte Europas
kennt, kann jene, die sich gegen Flüchtlinge hart geben, nicht
mißverstehen: sie ignorieren unsere Historie und sichern sich
das Genießen von Vorteilen.
PS: Die Zitate stammen aus
dem Gedicht „The Great Hunger“ von
Patrick Kavanagh.
PPS: Die Fotos auf dieser
Seite habe ich von einem Aufenthalt in Belfast mitgebracht.
Daran erinnert auch mein Gedicht „noch
immer“.
-- [Kara
Tepe] -- [Kalender]
[Reset]
|