12. Februar 2021

Corona. Kontroversen. Codes.

Wir leben in interessanten Zeiten. Eine Wanderlegende besagt, im alten China habe man das - interessanten Zeiten - jemandem gewünscht, wenn man ihn verfluchen wollte. Wir kennen außerdem seit Jahren mit a) billigen Internetzugängen und b) Social Media eine neue Art des öffentlichen Raumes und der öffentlichen Debatten.

Dabei begleiten uns seit geraumer Zeit Berichte über Plagiatsaffären, Fake News und eine angebliche „Lügenpresse“. Wissensarbeit und Wissenserwerb sind dadurch für viele Menschen zur Lachnummer geworden. Das „gesunde Volksempfinden“ feiert sein Comeback mit einer Wucht, die ich nicht kommen sah.


Das sorgt inzwischen für erhebliche Belastungen des sozialen Friedens, aktuell auch für Belastungen der Mühen, diese Krise zu bewältigen. Ich lege mich da aus verschiedenen Gründen quer. Ich bestehe auf der Unterscheidung zwischen Kritik und Denunziation. Ich lege bei mir und anderen Wert auf intellektuelle Selbstachtung.

Ich rede laufend davon, daß Facebook & Co. Massenmedien sind. Wer zwischen 500 und 2.000 Facebook-Kontakte hat, womöglich mehr, kommuniziert über ein Massenmedien. Es macht einen qualitativen Unterschied, ob ich die Freiheit des Denkens nutze und an einem Stammtisch Blödsinne raushau, oder ob ich problematische Botschaften via Massenmedien verbreite. Bei all dem spielen Quellenlage und die Qualität von Quellen eine zentrale Rolle.

Als Faustregel mag gelten: der Kritiker zitiert, was er zu kritisieren wünscht. Er nennt die Quelle des Zitates und formuliert seinen Einwand. So kann ich die Kritik und das Kritisierte vergleichen, beurteilen, kann die Kritik ihrerseits kritisieren, wenn ich das notwendig finde. Es gilt jederzeit und für alle Beteiligten: „Nennen Sie Ihre Gründe!“ (Wer darauf verzichtet, betreibt Propaganda, bedient den Boulevard, bevorzugt Bassena-Tratsch.)


Dieser Modus hat in Europa wenigstens zweieinhalbtausend Jahre Tradition, hat sich klar bewährt. Der Denunziant erspart sich die Mühe so eines Vorgehens, nimmt Abkürzungen, weist auf eine Quelle hin, nennt diese inferior, behauptet also bloß etwas, sucht dafür Zustimmung bei anderen Leuten. Das war’s. Der Kritiker zielt Richtung Aufklärung, der Denunziant zielt Richtung Inquisition.

Wir müssen das nicht mehr verhandeln, denn es wurde in der Antike debattiert, brachte im Mittelalter Kritiker auf diverse Scheiterhaufen, war eine wesentliche Triebfeder der Aufklärung, führte später manche ins KZ, andere in einen Gulag, steckt heute in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

So lange sich unser Menschen- und Weltbild nicht fundamental ändert, darf dieser Bereich als geklärt gelten.

Wer demnach heute den Unterschied zwischen Kritik und Denunziation nicht beachten will, tut das im Grunde wider besseres Wissen, denn diese Dinge sind Gemeingut. Der breite gesellschaftliche Konsens darüber reicht in kodifizierter Form von der Verfassung Österreichs über das Presserecht bis zu allerhand privatrechtlichen Regelungen.

Ich hab am 8. Februar 2021 in Die Stunde der Conquista gerade erst beschrieben, wie ein Bekannter mitten auf der Straße ziemlich laut wurde, als ich seine Corona-Ausführungen mit der Frage nach seinen konkreten Quellen quittiert hab. Die kuriosen Beispiele setzen sich fort.

Ich erlebe sie auf privater Ebene, ich sehe sie regional, aber auch auf der Ebene unserer Bundespolitik.


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