11. Februar 2021

Empörung oder Ömpörung?

Ich hatte mir vorgenommen, im Rahmen von „New Concpt Vertigo“ eine kleine Chronique scandaleuse herauszuarbeiten, weil es mir sonst die Sicherungen schmeißt, wenn ich jeden Tag ob der neuen Meldungen über Fehlleistungen und Malversationen einen Gehirnkrampf bekomme, dabei aber völlig den Überblick verliere.

Na, das wurde abenteuerlich. Dabei zeigt sich eine irritierende Dichte an Verletzungen ganz unterschiedlicher Pflicht-Varianten. Funktionstragende hoher Ämter lügen uns stellenweise frech ins Gesicht. Übergeordnete politische Kräfte decken das, reden es schön. Davon haben wir derzeit in Österreich eine so eng geknüpfte Serie, daß ich vorerst aus dem Staunen noch nicht herausgekommen bin.



Franz Ablinger

Und all das vor dem Hintergrund einer weitreichenden und sehr in die Tiefe gehenden Krise, die uns seelisch fordert, physische belastet und wirtschaftlich unter energisch wachsenden Druck bringt.

Wie zynisch und kaltblütig muß eine amtstragende Kanaille sein, der man eben bezüglich diverser Malversationen auf die Spur kommt, aber ich sehe keine Scham und höre keine Entschuldigung. Gut, ich sag es mir gleich selber: Scham ist keine politische Kategorie.

Was ich in den letzten Monaten an Streitgesprächen erlebt und geführt habe, brachte mich immer wieder zur Frage: „Was sind deine Quellen und was taugen diese Quellen?“ Eine andere Forderung mußte ich auch öfter vorbringen: „Verschone mich bitte mit allgemeinen Verwünschungen! Welcher Vorfall und welcher Wortlaut haben dich aufgebracht? Ist das verbürgt, dokumentiert? Wie lautet deine Kritik genau?“

Damit entfallen dann in meinem Umfeld meist etwa drei Viertel der Empörungen, verfallen zur „Ömpörung“, denn mit allgemeinem Geschimpfe kann ich mich nicht befassen. Ich gebe nichts darauf und halte derlei Geblöke für abstoßend. Ich finde das allgemein gehaltene Gezänk für ebenso unerträglich wie lügende Amtsträger.


Außerdem bin ich überzeugt, daß wir aktuellen Mißständen mit Genauigkeit und mit gnadenloser Kompetenz begegnen sollte. Es steht ohnehin allen frei, auch weiterhin an der Bassena für Spannungsabfuhr zu sorgen und sich auszukotzen. Soll sein, das schert mich nicht.

Aber ich will mich daran nicht beteiligen und ich will damit meine Zeit nicht verplempern. Vor allem aber mag ich nicht beitragen, das Herumgerotze als einen kritischen Diskursbeitrag von Relevanz zu zertifizieren. Herumgerotze ist Spannungsabfuhr, sonst nichts weiter Nützliches.

Ich kenne Franz Ablinger schon viele Jahre und schätze ihn als einen Akteur des Kulturgeschehens, der einem interessanten handwerks-Ethos entspricht: „Man sagt nur, was man kann. Und man kann das, was man sagt.“ Meint: das Denken, das Sprechen und das Tun werden in einem Fließgleichgewicht gehalten. So definiere ich Redlichkeit.

Durch ihn kam ich auf eine Schilderung von Karin Gmeiner, die als Rechtsanwältin und Mediatorin tätig ist. Ich halte Gmeiners Ärgernis (und wie sie darauf via Facebook reagiert hat) für ein sehr anschauliches Beispiel, wie man seinem Unmut Luft machen und dabei genau bleiben kann, so daß die Äußerung auch einen Nutzen nach außen zeigt. Hier die Dialogsequenz: [Link]


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