9. Jänner 2021
Teilhabe an der Macht III
Gestern fand ich anregende Reaktionen auf meine Notizen.
Carmen D. Dreier-Zwetti schrieb unter anderem: „es sind
immer positionen, nie rollen. das war das erste, was ich
gelernt hab.“ ich hatte zu antworten: „DAS bringt
mich schon eine weile ins grübeln. so vieles, was wir für
positionen halten, sind eigentlich RELATIONEN. nie kann man
das klären, wenn man die eigene position ausgeblendet hat.“
Die Macht steht ja nicht woanders auf, sondern stets da,
wo ich mich gerade befinde. RT Moreau nannte mit Hinweis auf
den Psychologen Dacher Keltner unter anderem diese Punkte,
die mich besonders ansprechen, weil sie so generelles
Gewicht haben: 1. Macht bedeutet, den Status anderer
zu ändern. 2. Macht steckt in jeder Beziehung und in
jeder Interaktion. 3. Macht steckt in all unseren
Alltagshandlungen.
Das korrespondierte übrigens mit
einem Kommentar von Cartoonistin Kerstin Feirer: „Macht
bedeuten machen im Hinblick auf andere. Alles andere ist
tun.“ In einem Telefonat mit Musiker Oliver Mally hatte
ich diesen Punkt betont: „Ich kann mich nicht erinnern,
daß ich es die letzten Jahrzehnte je so brisant empfunden
hätte, zu klären, wo wir angekommen sind und wie wir zu
Fragen der Macht stehen.“
Es ist kein
akademischer Moment. Wir stehen mit unseren Leben dafür ein.
Jetzt. Nein, ich hab grade keine Anflug, den großen Tragöden
zu geben. Ich liebe diese erschreckende Klarheit, mit der
unser Lauf der Dinge mir ein präzises Denken abverlangt.
Das hat unter anderem einen Grund darin, daß ich auf
einen Scherbenhaufen geboren wurde. Ich bin die Brut einer
Flut von Gewalttätigkeit und ein Insider solcher
Kräftespiele. Deshalb war ich auch nie ein Pazifist, sondern
immer auf Wehrhaftigkeit hin orientiert. Niemand sollte mich
anfassen können. Nichts sollte mir mehr geschehen.
Das Verrückte an solchen Dispositionen: es gab in diesen Jahren
jene neue Ära, da ich umgesetzt hatte, was die Essenz der
Bedrohungssituationen ist. Du mußt einen Aggressor entweder
abschrecken oder entwaffnen, was heißt: ihn zusammenfalten. Als
das geklärt und etabliert war, ging eine gespenstische Serie von
Unfällen los. Zum Beispiel Motorradunfälle. Solche Sachen. Als
wäre derlei Kräftespielen nicht zu entkommen.
Ich hab
demnach auch diese düsteren Terrains erkundet, in denen Fragen
nach der Macht anfallen. Dort ebenso: wer hat Zugriff auf
verfügbare Ressourcen und auf das Verhalten seiner Mitmenschen?
Gibt es dazu eine Partitur? Wer dirigiert das Stücke? Darf ich
darin allenfalls meine Rolle wechseln? Falls das nicht zulässig
ist: darf ich das Stück und die Bühne verlassen?
In der
gestrigen Notiz schrieb ich: „Macht ist ein
Beziehungsphänomen.“ Eine mehrdeutige Feststellung. Macht
ist eben keine magische Eigenschaft, sondern das Ergebnis von
Übereinkünften.
Ich zähle zum Beispiel Faustrecht nicht
zu diesem Phänomenkomplex. Wer etwa in den Lauf einer Waffe
blickt, hat es nicht mit Macht zu tun, sondern mit einer
tödlichen Bedrohung. Das ist ein anderes Thema.
RT Moreau
meinte: „Das Macht-Paradox besteht darin, dass man genau
diese Eigenschaften, die einem zur Macht verhelfen, wieder
verliert, wenn man Macht hat.“ Das ist ein sehr
interessantes Thema! [Vorlauf]
[Fortsetzung]
P.S.: Ich bin überzeugt, daß sich politische Verhältnisse
nur ändern können, wenn genug Menschen einer Gemeinschaft
begonnen haben, ihren Umgang mit Macht zu überprüfen, zu
überarbeiten. Dem gegenüber haben sich klassische
Revolutionen als recht untauglich erwiesen.
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