24. Dezember 2020
Das Elend der Kinder von
Kara Tepe III
Wann stünden Vertriebene bei
uns denn deutlicher zur Debatte als heute, am 24. Dezember?
Die Angriffslust der Seßhaften gegenüber den Hauslosen hat
eine weitreichende Tradition. Sie ist bis zurück in das
Neolithikum darstellbar. Damals entfalteten Menschen auch
eine neue Form der Gewalttätigkeit, für die es bisher keine
älteren Belege gibt.
Knochenfunde in Massengräbern zeigen, daß unsere Vorfahren
damals begonnen hatten, Menschen vor ihrer Ermordung zu
mißhandeln. Damit begann wohl die Geschichte des Terrors. Siehe
dazu auch: „Schletz ist ein Ortsteil von Asparn an der
Zaya.“ in meiner
Notiz vom 22.
Jänner 2018.
Das Konfliktpotential zwischen Seßhaften
und Hauslosen scheint bis heute nicht aufgelöst zu sein, „Werte
Europas“ hin oder her. Aktuell sehen wir das am Umgang mit den
Menschen in verschiedenen Lagern auf unserem Kontinent.
Meine gestrige Notiz zum Thema war erst einige Stunden online,
da kam die Meldung: „Fire destroys migrant camp in Bosnia.
Lipa facility had been criticised by rights groups for failing
to provide basic services.“ [Quelle]
Wie die Nazi Hauslose systematisch umbrachten, muß ich wohl
nicht näher ausführen. Die Ressentiments hielten sich. Auch die
Angriffslust fand weiterhin Akteure. Einige Beispiele. In der
Nacht auf den 5. Februar 1995 starben in der Roma-Siedlung von
Oberwart fünf Menschen durch eine Rohrbombe von Franz Fuchs, die
mit einer Tafel verbunden war, auf der „Roma zurück nach Indien“
zu lesen stand.
In den Jahren 2008 und 2009 gab
es in Ungarn einer Mordserie an Roma bei Angriffen auf
deren Dörfer. Häuser wurden in Brand gesteckt,
Flüchtende beschossen. Gewaltausübung wird nicht bloß
mit Waffen realisiert. (Übrigens: der Rom und die Romni,
in der Mehrzahl die Roma.)
Wir kennen auch
strukturelle Gewalt. Karl-Markus Gauß hat in „Die
Hundeesser von Svinia“ am Beispiel Ostslowakei sehr
eindrucksvoll beschrieben, was geschehen kann, wenn man
Hauslose in die Seßhaftigkeit zwingt.
Offenbar
begleitet uns diese Aggression gegenüber allen, die
nicht seßhaft sind, seit „biblischen Zeiten“. Unsere
Mythologie kennt eine Variante dieses Konfliktpotentials
in der prominenten Erzählung vom Ackerbauern Kain und
seinem Bruder, dem Hirten Abel. Die Mühen der
Feldarbeit, die Bindungen an ein Haus…
Dabei
weist die Idee von der Nachfolge Jesu einen ganz anderen
Weg. Lukas 18, 29-30 lautet: „Da sagte Petrus: Du
weißt, wir haben unser Eigentum verlassen und sind dir
nachgefolgt. Jesus antwortete ihnen: Amen, ich sage
euch: Jeder, der um des Reiches Gottes willen Haus oder
Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat, wird
dafür schon in dieser Zeit das Vielfache erhalten und in
der kommenden Welt das ewige Leben.“ (Buddha machte
übrigens auch den Schritt in die Hauslosigkeit.)
Wir werden wohl noch ausführlicher darüber reden müssen: Was schulden wir Menschen einander?
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