22. Jänner 2018 Sagt
Ihnen der Name Schletz etwas? Schletz ist ein Ortsteil von Asparn an der Zaya.
Das liegt nördlich von Mistelbach. Laut Routenplaner sind die rund 64 Kilometer von Wien
dorthin mit dem Auto in etwas mehr als 50 Minuten zu machen. In Schletz befindet sich eine
von mehreren markanten Ausgrabungsstätten Europas, durch die wir über die Jungsteinzeit
einiges erfahren haben, was diese Jahrtausendkultur der Gewalttätigkeit betrifft, von der
ich hier in letzter Zeit ein paar mal geschrieben hab.
Linearbandkeramik
Die Neolithische Revolution handelt von der
Seßhaftwerdung des Menschen und von den Mühen des Ackerbaus, von einem
entbehrungsreichen Leben, das unsere Leute noch bis zum Zweiten Weltkrieg gekannt haben.
Sie können heute noch Menschen treffen, die am eigenen Leib erfahren haben, daß man auf
dem Hof etwa als lediges Kind einer Magd unter dem Vieh rangiert hat. Das bedeutete in der
Mehrzahl der Fälle ein Kinderleben voller Demütigungen und Gewalttätigkeit, auch wenn
einem manchmal von positiven Ausnahmen erzählt wird.
Allein diese Details unsere realen Sozialgeschichte lassen
das Gerede von den angeblichen Werten der "traditionellen Familie" in einem sehr
schrägen Licht erscheinen. Auch wenn sich generell Lebensbedingungen radikal verbessert
haben, ist zum Beispiel die innerfamiliäre Gewalt in Österreich immer noch ein Faktum
von epidemischen Ausmaßen. Das Demütigen von Kindern ist traditionsreiche Praxis in
unserer Gesellschaft, das Malträtieren Erwachsener keine Seltenheit, darunter Gewalt
gegen Frauen die weltweit häufigste unnatürliche Todesursache von Frauen.
Aber Schletz! Im Zeitalter der wunderschönen Linearbandkeramik
zeigen Menschen auf dem Gebiet des heutigen Österreichs auch noch andere Seiten der
Zivilisation. In Deutschland fand man (nahe Frankfurt) übrigens ähnliche Zeugnisse an
einem Ort namens Schöneck- Kilianstädten.
Solche Ausgrabungen lieferten Hinweise, daß es vor etwa
siebentausend Jahren etwas wie "Neolithic massacre(s) in early Europe" gab, bei denen
Menschen in Gruppen auch noch gefoltert wurden, bevor man sie umbrachte. Demonstrative
Grausamkeit ist eine Waffe, darunter wiederum sexualisierte Gewalt gegen Frauen eine
spezielle Waffe. Von solchen Dingen erfuhren wir zuletzt beim Untergang Jugoslawiens in
den 1990er Jahren. Da wurde in den Kriegen Schrecken durch Gewalt gegen Nichtkombattanten,
also gegen die Zivilbevölkerung, gezielt eingesetzt. Warlords wie Ratko Mladic mit seiner
Soldateska, Arkan Raznatovic mit seinen Tigrovi oder Legija
Ulemek waren dafür berüchtigt.
Rekonstruktion eines Hauses der
Jungsteinzeit, Museum für Urgeschichte,
Asparn an der Zaya (Foto: Wolfgang Glock, Public Domain)
Zurück ins Neolithikum: "Wir wissen, dass viele
der Menschen mit Steingeräten erschlagen wurden und wahrscheinlich an den
Schädelverletzungen gestorben sind", sagte Forscher Christian Meyer 2015 bei
der Präsentation einer Studie in Krems. "Die Beinknochen seien fast systematisch
zertrümmert worden. Die Forscher vermuten, dass die Angreifer bei solchen Massakern mit
großer Brutalität ganze Siedlungen ausgelöscht haben." [Quelle: Wiener Zeitung]
Was immer unsere Natur sein mag, in der Umsetzung vor allem
auch von Aggression sind Kultur und Ideologie prägend, entscheidend. Sie sind jene
Bereiche, auf die wir Einfluß haben. Wir werden via Medien permanent in eine enorme
Propaganda-Maschinerie eingewoben. Dabei haben Spielfilme seit meiner Kindheit eine
wesentliche Rolle, aber auch über alle anderen Kanäle kommen vielfältige
"Kerl-Bilder" daher, die mir vor allem den "Soldatischen Mann"
andienen, als wären wir noch im 19. Jahrhundert.
Das flackert selbst in so kuriosen Augenblicken auf, da zum
Beispiel mit der Alltag Werbung für Waffen zuspielt; und zwar jenseits von
einschlägigen Fachmagazinen. So erschien zum Beispiel letztes Jahr des Portfolio 2
zum Thema Sicherheit als Sonderausgabe des Wochenmagazins profil.
Quelle: profil
Auf der Rückseite ein ganzseitiges Inserat von
Waffenproduzent Glock. Das erscheint mir ähnlich merkwürdig, wie wenn der
Glücksspiel-Konzern Novomatic im Bereich Kunst & Kultur großflächig
inseriert, während das Suchtpotential seiner Produkte häufig und erheblich zu
Situationen auf Kosten der Volkswirtschaft führt.
Nun muß Herr Glock seine international hoch geschätzten
Handfeuerwaffen ja nicht dieser oder jener Leserschaft schmackhaft machen. Solche Inserate
stehen also für andere Vorgänge im Hintergrund, über die ich hier nur spekulieren
könnte. So oder so erscheinen mir die vermittelten Bilder wesentlich. Da
ich vorhin die Kriege im Untergangs Jugoslawiens erwähnt habe, das Internet wimmelt nur
so von Bilderfluten und Schlachtgesängen, in denen sich uns bewaffnete Männer in
Kerl-Posen zeigen.
Ich hab jede sich bietende Gelegenheit genutzt, mit
Menschen zu sprechen, die reale Schlachtfelderfahrungen haben. Deren Schilderungen
illustrieren den Betrug. In der propagandistischen Inszenierungen läuft alles viel zu
schnell, mit zu hoher Feuerkraft und zu kühnen Auftritten. Orientierung, Kommunikation,
Schutz vor feindlichem Feuer, ausreichende Munition und Verpflegen, hinreichende Rüstung
gegen Überraschungen, das alles ist bei Feindberührung ein riesiges Problem.
So war es in früheren Kriegen, so ist es heute. Ganz zu
schweigen von den psychischen Belastungen. Ich hab "Restrepo" (2010)
als einen der aufschlußreichsten Dokumentarfilme der jüngeren Vergangenheit erlebt. Were
not ready for this. sagte einer der jungen Männer und schüttelte dabei den
Kopf. The fear is allways there. sagte ein anderer. So sieht es bei
gewöhnlichen Soldaten aus, wo man es nicht gerade mit Spezialkommandos zu tun hat, deren
Ausbildung unter anderem auch von einer problematischen psychischen Konditionierung
handelt.
Screenshot aus "Restrepo"
Es gibt eine Passage in "Restrepo", die
veranschaulicht, was geschieht, nachdem Beschuß einer Patrouille im afghanischen
Korengal-Tal zum Tod von einem der Soldaten geführt hat. Man sieht, wie einer seiner
Kameraden psychisch zusammenbricht und die Zuwendung der anderen braucht. Keine Kerl-Pose.
(Siehe zu diesem Film auch: "Die sinnlose Mission der Babyface-Killer")
Kein Herumgehüpfe unter Flüchen über
"Fetzenschädel", "Windelköpfe" oder "Sand-Nigger",
wie uns das Spielfilme zeigen, wobei hollywoodmäßig Munitionsmengen verschossen
werden, die wenigstens zwei Träger brauchen würden, um sie dem Schützen
hinterherzuschleppen.
Preußen stützte sich einst noch auf brutale Zurichtung
der Männer, unter anderem mit systematischem Verprügeln, um sie dazu zu bringen, in der
Formation zu bleiben, wenn sie in grotesker Weise aufrecht und in Linien (Schlachtreihe,
treffend doppeldeutig) auf das gegnerische Feuer zuzugehen mußten. Das erledigte sich mit
der Maschinisierung des Krieges, wodurch sich auch die Kavallerie schnell erledigte.
Um auf dem Schlachtfeld nützlich zu sein, muß man erzogen
und ausgebildet werden. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts sind uns jene medialen
Vermitllungsstrategien (als Propaganda) gut vertraut, mit denen unter jungen Männern
schon zeitig "zivile Krieger" emotional rekrutiert und ideologisch aufgebaut
werden. Die Heorisierung verdeckt das, was jene berichten können, die schon dort waren.
Ich hab im vorigen
Eintrag erzählt, wie mein Vater sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre mit mir
über seine Erlebnisse als Soldat auseinandergesetzt hat und innerhalb von zwei Jahren ein
Tagebuch von 1945/46 überdachte, für mich "abschrieb", wie er es formulierte.
Darin gibt es eine Szene, die mit den Erfahrungen des Juan Restrepo korrespondiert und von
der Art ist, die uns jene Flut der Action-Filme mit all den Kerl-Posen offenbar bemänteln
soll:
-- [Der Sarajevo-Kontext] -- |