28. November 2020
Lockdown zwo, vierte Session
Heute war folgendes zu notieren. „fürs protokoll:
einer der bedeutensten antiken texte handelt von einem...
gastmahl! so wissen wir durch platon, daß etwa der
einigermaßen prominente sokrates bei jener
geschichtsträchtigen sause schon betrunken angedackelt kam.
aber im ‚symposion‘ steht nichts davon, sich per alk
wegzuschießen. im gegenteil! es ging um gepflegte
trunkenheit und geistreiche gspräche.“
Ich hatte
schon im ersten Lockdown diesen Wunsch, eine Stunde der
Woche einem kleinen Fest zu widmen, bei dem ich via Web mit
einigen Menschen auf das Leben trinken. Da draußen ist so
viel Gezänk, Aufgeregtheit, auch Abschätzigkeit. In Nischen
läßt sich das gut ausschließen, um ein paar andere Optionen
zu betonen. (Huh! Ich entdecke eine gewisse
Endreim-Anfälligkeit.)
Nun also das zweite Set der Ausgangsbeschränkungen, von dem wir
noch nicht wissen, ob es verlängert werden wird. Im Eintrag vom
3. November 2020 schrieb ich: „Seit null Uhr befinden wir
uns im zweiten Lockdown dieses Jahres. Es war für mich ab
Samstag ein Hineinfallen in die Stille, in der ich mich eben
einrichte, wie man sich in einem Wochenendhäuschen einrichtet;
als etwas Temporäres.“ [Quelle]
1) Samstag, 7.11.2020: erste Tele-Drink-Session 2)
Samstag, 14.11.2020: zweite Tele-Drink-Session 3) Samstag,
21.11.2020: dritte Tele-Drink-Session 4) Samstag, 28.11.2020:
vierte Tele-Drink-Session
Ich hab in diesem Jahr vieles
zu hören und zu lesen bekommen, das mich irritiert, das mich in
manchen Momenten fast verstört. Aber ich meine, man kann
niemanden gegen seine Auffassungen erreichen. Es erübrigt sich
also, gegen skurrile Meinungen anzureden.
Während sich unser medizinisches
Fachpersonal inzwischen an vielen Krankenbetten völlig
erschöpft, staune ich über Debatten, in denen Kurioses
ausposaunt wird, was mir nicht nach erworbenem Wissen
klingt, sondern bloß nach Meinung. Es gibt eben heute
keine Monopole in Sachen Deutungshoheit mehr.
Ich
hab ein sehr entspanntes Verhältnis zu unseren
medizinischen Fachkräften. Über diese Leute denke ich
intensiver nach als über die Toten. Tote haben keine
Probleme! Aber jene, die uns im Notfall beistehen
sollen, verausgaben sich längst in einem für mich
furchterregenden Ausmaß; und werden dabei noch verhöhnt,
die das alles zum Fake erklären.
Ich kenne das
Metier. Ich bin über Jahrzehnte gestochen und
geschnitten worden, angebohrt und verschraubt, hing an
allen denkbaren Arten von Schläuchen, hier an einem
Perfusor, da an einem Beatmungssystem. Chirurgen haben
mir Saugdrainagen und Herzkatheter gelegt, haben kleine
Fenster in mich geschnitten, um Knochentrümmer zu
sortieren, dazu später grinsend angemerkt: „Sie haben
sich nicht beschwert“, um mir Narben zu erläutern, die
mir unerklärlich waren.
Damit möchte ich
deutlich machen: was immer man innerhalb meiner
Lebensspanne an Pharmafirmen und Spitalsystemen
kritisieren konnte, an der „Maschinenmedizin“ und am
Geiz mit Schmerzmitteln etc., ich bin real in den
Kliniken stets
Menschen begegnet, die sich nach Kräften bemüht haben,
mich wieder halbwegs in einen körperlichen Normalzustand
und ins Leben zurückzubringen. Ich traue diesen Leute
und vertraue auf die gute Chance, den vereinzelten
Vollpfosten unter ihnen nie zu begegnen.
Wie
erleben mit dieser Pandemie eine hinreißende Krise, die
mich in manchen Momenten ängstigt, weil zum Beispiel
meine Existenz absackt, aber die meiste Zeit fasziniert.
Ich habe keinen Zweifel, daß jene Bereiche zunehmend gut
vorankommen werden, wo Menschen in ihren Reihen die
Sachkundigen von den Großmäulern zu unterscheiden lernen, wo
kooperiert wird; auch über Dissens hinweg. Das sind
spannende Prozesse…
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