2. November 2020

Lockdown: der Vorabend

Nun also der letzte Tag vor dem zweiten Lockdown. Seit Samstag fiel mir auf, wie sehr es in der Stadt ruhiger wurde. Unter prächtigem Herbstwetter ist nun eine Stille eingetreten, die ich mag. Der große Parkplatz vor meinem Fenster ist ein markanter Ort dieser Ruhe.

Ich hatte Samstag abends wieder eine Tele-Drink-Session (Auf das Leben! Auf die Poesie!) angesetzt, um mit so einem Minuten-Fest auf den Lockdown zuzugehen. Meine Branche ist seit Jahren angeschlagen, hat in Sprüngen von 2010 über 2015 Schläge kassiert und wurde zum Terrain verdeckter Verdrängungswettbewerbe.

Darüber ist heute – erwartungsgemäß – ein Mantel der Solidaritätsrufe gebreitet. Mich schert das nicht mehr, denn ich kenne mein Metier und bin – zugegeben – merklich abgebrüht durch all das, was sich da gerade in den letzten Jahren an Heuchelei und blühender Inkompetenz selbst feiern durfte.

Die Jahre 2010, 2015 und 2020: ich hab dieses spezielle Muster Anfang September in der Notiz Mein Kontinent III erläutert. Das verweist auch auf unsere branchenspezifischen Fehlleistungen während jener Zeit, als uns die Wellen der Wirtschaftskrise von 2008/2009 erreicht hatten.

Ich kann mich nicht erinnern, daß diese Ereignisse und unser Verhalten im Kulturbereich reflektiert worden wären. Darin sehe ich wesentliche Gründe für den miserablen kulturpolitischen Zustand der Steiermark.

Einen regionalen Ausdruck dessen lieferte Gleisdorfs Kulturreferent auf Facebook. Er versah sein Profilbild Ende der Woche mit dieser Banderole der Hilflosigkeit: „Ohne Kunst & Kultur wird’s still“.

Das Groteske an dieser Geste: er ist als Kulturpolitiker ja de Adresse solcher Appelle, er und sein Fachausschuß im Rathaus. Daher sollte er sich nicht so eine Schleife umbinden, sondern darauf antworten. Politisch antworten. Er und sein Fachausschuß. Das wäre nötig. Und? Nichts!


Übrigens! Zu den Ereignissen und Konsequenzen von 2008/2009 habe ich eine vorzügliche (englischsprachige) Dokumentation von Martin Borgs entdeckt: „Överdos - en film om nästa finanskris“: [Auf Vimeo]

Wenn man sich ansieht, was Bush und auch Obama da in der Verquickung von Regierung und Finanzwelt gemacht haben, kann man eigentlich nur von Malversationen sprechen. Von dieser Entwicklung her betrachtet war dann Trump eigentlich keine große Überraschung. (Borgs: „In times of crisis people seek strong leaders and simple solutions. But what happens when their solutions are identical to the mistakes that caused the very crisis?“)

Wenn Montag Mitternacht in Dienstag null Uhr kippt, ist der Lockdown Faktum. Ich hab jetzt keine besonderen Maßnahmen getroffen, weil mein Alltagsleben seit dem ersten 2020er Lockdown so adaptiert ist, daß es für diese zweite Situation paßt. Was bleibt: wir haben alle so unsere Probleme, die bewältigt werden müssen, manche davon massiv, das ist banal, denn ich sehe niemanden, der sie für uns lösen wird. Es liegt an uns.

Nun also: Modus-Wechsel. Ich hab meine Freude an dieser kleinen Erinnerung, wie ich samstags mit meinem Sohn unter dieser feinen Herbstsonne in einem Straßencafé saß, um mit ihm über das Leben zu plaudern. (Ich lächle noch über seine Bemerkung, er könne einen Hubstapler schneller und genauer einparken als sein Auto.) Um mich herum sind ein paar Menschen, mit denen ich schon am Kulturjahr 2021 arbeite, denn: Die Kunst schweigt nie!

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