22. Oktober 2020

Die Praxis der Zuversicht

Der jüngste Anruf von Musiker Oliver Mally erreichte mich von unterwegs. Er müsse nach Linz. Von da gehe es nach Deutschland, dann aber flott über die Grenze zurück nach Österreich, damit kein neuer Test fällig werde. Diese Tests gehen ordentlich ins Geld, während bei Konzerten derzeit nur wenig zu verdienen sei.

Außerdem erlebt Mally ein Crescendo der Absagen: „Zur Info: Römersteinbruch 06.11. / Gemischter Satz 07.11. / Dachbodentheater 13.11. sind abgesagt - ist so nicht mehr machbar.“

Oder: „Update#2! 30.10.: Die Moserei, 19.11. Die Brücke, 21.11. Juthe sind ebenfalls abgesagt - die Auflagen ‚greifen‘.“ Für die Steiermark wurden von der Landesregierung eben neuen Regeln ausgegeben:



[
Das komplette Blatt]

Mally fährt seit Monaten viele Stunden und Kilometer, damit der Fluß des Handelns nicht abreißt. Es sei auch gegenüber dem Publikum sehr wichtig, keinesfalls hinterm Ofen sitzen zu bleiben, sondern nach Kräften einen Betrieb aufrecht zu erhalten, der deutlich macht, daß sich dieses Metier auf dem Feld der Kunst nicht ersticken läßt.

Das ist im Grunde kein Match „Der Staat gegen uns“, sondern ein Ringen um Klarheiten und praktikable Arbeitsbedingungen in einer höchst komplexen Belastungssituation. Freilich scheint es mir dabei manchmal erdrückend, wie wenig Leute in Politik und Verwaltung uns an Ideen bieten, um in fruchtbarer Zusammenarbeit etwas voranzubringen.



Oliver Mally (links) und Hubert Hofherr.

Zum Beispiel sind da gelegentlich hohe Barrieren in der Verwaltung; siehe dazu den Eintrag vom 13. Oktober 2020! Bedienstete mit sicheren Jobs kommen uns erkennbar kaum entgegen, um den primären Kräften der Kunst die Arbeit zu erleichtern.

Da scheint auf Landesebene wenig Bewegung im Milieu zu sein. Auf regionaler Ebene herrscht eine Mischung aus Ratlosigkeit und Agonie, geschminkt mit einem antiquierten Aktionismus der genau Null an Ideen erkennen läßt, wie auf diese Pandemie adäquat reagiert werden könnte.

Ich hab bei „Kunst Ost“ eben notiert, daß die Städte Weiz und Gleisdorf kulturpolitisch agieren als sei nichts geschehen: [Link] Dazu paßt, was mir gestern der Unternehmer Ewald Ulrich erzählte. Er ist seit vielen Jahren ein in der Kulturarbeit engagiert, wendet dafür auch erhebliche Mittel auf, was sich in der Initiative „Fokus Freiberg“ manifestiert hat.

Man habe ihn ersucht, die Preisverleihung für den heuer ausgeschriebenen Lyrik-Wettbewerb umzusetzen. Eine Zusammenkunft mit Leuten von 60 Personen aufwärts. Ulrich lehnte ab, weil Bestimmungen und Bedingungen für jemanden, der sich privat im Kulturbereich engagiert, viel zu unklar seien, was das Risiko von Nachteilen in die Höhe treiben würde.



Peter Schneider (links) und Oliver Mally

Da frage ich: weshalb schafft es die Administration einer blühenden Stadt nicht, dem von ihr ausgelobten Preis eine adäquates Konzept beizugeben und den privaten Kulturschaffenden eine Kooperation anzubieten, die eine Preisverleihung unter solchen Bedingungen möglich macht?

Und wo kann ich über die Ergebnisses des Wettbewerbes etwas nachlesen? Was wissen wir heute darüber? Eben. Nichts! Das sind Beispiele, wie man die Kultur zur Magd des Marketings macht, statt die Kulturschaffenden an der Basis mit Know how und Arbeitseinsatz zu begleiten.

Die letzte Nachricht zum Lyrik-Bewerb im Rahmen von Buchfink 2020“ stammt vom 12.2.2020. Auch ein anderer Link bietet zu diesem Teilthema nichts, „das für Mai geplante Lesefestival der Region Gleisdorf namens Buchfink“ hat für die primären Kräfte keine Angebote: [Link]

Politik und Verwaltung haben wesentlich zwei Optionen:
a) Als Kooperationspartner die primären Kräfte mit ihren Mitteln stärken und begleiten.
b) Als vorherrschende Instanzen den Kultubetrieb hierarchisch anordnen und sich die primären Kräfte gefügig machen.

Aber was ist mit guten Nachrichten? Wir arbeiten daran! Die Praxis der Zuversicht ist unsere Sache. Daß aber nuin schon gut ein Jahrzehnt die Kultur zur Magd des Marketings vorgeführt wird, werden wir noch gründlicher zu bearbeiten haben.

[kalender] [reset]