30. September 2020
Bring uns raus,
Krusche!
Hier der Logbuch-Eintrag Nummer
2.899. Solche Zahlen mag ich. Das wird nun noch ein Stück
Arbeit, bis ich auf 2.999 komme, eine weit schönere Zahl.
Nein, ich bin kein Blogger. Manche halten das für
einen Beruf. Autor ist ein Beruf. Hm? Ja, ich weiß:
Logbuch. WebLog. Blog. Ich war auch schon ein
Bucherer. (Von: Buch.) Oder Zeitungist? Zeiterer?
Anthologist!
Gut, zugegeben, ich bin Lyriker,
kein Romancier. Das Genre ist also doch für die Bezeichnung
von Rollenkonzepten gut, auch für Berufsbezeichnungen.
Lyriker als Beruf. Lustig! Das geht eigentlich nicht.
Andrerseits: Pablo Neruda! Naja, bei uns hier geht das
nicht. Oder man riskiert die Zuschreibung
„Staatskünstler“, was in Österreich keinesfalls
freundlich gemeint ist.
Ich erinnere mich, wie Jörg Haider, Gallionsfigur der FPÖ, einst
H. C. Artmann öffentlich herabgewürdigt hat. Ein politischer
Glücksritter, dem das Land nichts Bedeutendes von Dauer
verdankt, hat sich daran erfreut, einen der bedeutendsten
Autoren der österreichischen Gegenwartsliteratur zur allgemeinen
Belustigung Richtung Lächerlichkeit zu stoßen.
Nun.
Blogger. So wichtig ist das nicht. Ich kann einfach den Begriff
Blog nicht leiden. (Das sind irrationale
Ressentiments.) Ich hab auch nie zum Führen von Tagebüchern
geneigt. Aber Logbuch finde ich okay. Schiffstagebücher. Und
dann: die Raumkreuzer.
Sternzeit und so. Wikiped
sagt: „Die Sternzeit ist eine in der Astronomie gebrauchte
Zeitskala und beruht auf der scheinbaren Bewegung der Sterne als
Folge der Eigendrehung der Erde.“ Ich mag folgende
Vorstellung besonders.
Der Raumkreuzer liegt noch in der
Bucht einer gigantischen Raumstation. Ich im Cockpit. Der
Captain sagt: „Bring uns raus, Krusche!“ Und zack! Im
Retourgang, leichter Schwenk, die Nase unseres Monsters gleitet
bloß in drei Meter Abstand am Dock vorbei,also um Haaresbeite.
So muß das sein.
Ob interstellares Reisen überhaupt
ginge, indem man Raumkreuzer baut? Ließe sich damit ein
ausreichender Strahlenschutz realisieren? Was werden wir noch an
Treibstoffen kennenlernen? Es heißt: „Der alte Traum vom
Fliegen“.
Unsere Mythologie gibt dazu wenig her. Ikarus hatte
einen Versuch und fiel herunter. Wer redet von Daedalus?
Dem ist es ja gelungen. Tarkowski läßt seinen grandiosen
Film „Andrej
Rubljov“ (1966) mit einer Flugszene beginnen.
Es ist das 15. Jahrhundert. „Archip! Ich fliege!“
Das nimmt vorweg, was die Brüder Montgolfier im
späten 18. Jahrhundert schaffen werden; mit einem
Heißluftballon zu fliegen. Der Film hat eine ganze Reihe
sehr sehenswerter Aspekte. Dazu gehört eine sehr
ausführliche Sequenz, in der man zusehen kann, wie in
der Erde eine Glocke gegossen wird.
Das ist
magische Praxis. Die Metallurgie, die Kontrolle der
Hitze, das Wissen um die richtigen Augenblicke, der
Klang… Schiller hat die Arbeit daran 1800 beschrieben:
„Fest gemauert in der Erden / Steht die Form, aus
Lehm gebrannt. / Heute muß die Glocke werden. / Frisch,
Gesellen! seyd zur Hand.“ [Quelle]
Daraus ist uns eine Redensart erhalten: „Nur
der Meister bricht die Form“, abgeleitet von der
Passage „Der Meister kann die Form zerbrechen / Mit
weiser Hand, zur rechten Zeit“. (Darin kommt auch
"Freyheit und Gleichheit! hört man schallen"
vor.) Sie ahnen schon, in all dem stecke ich gerade rund
um diese Ikarier-Aspekte…
-- [Wir
Ikarier] --
|