27. September 2020
Helden und so
Es liegt ein
Jahrhundert der Helden hinter uns. Natürlich ist dieses Wort
eine Zuschreibung, wodurch jene, die es trifft, in eine
Pflicht genommen werden. Das konnte man heuer gut erkennen,
als wir auf die Covid-19-Pandemie mit einem Lockdown
reagiert haben. Plötzlich wurden „Helden des Alltags“
gelobt, sogar auf Plakaten genannt.
Die Renner-Buam, Luftschiffer und Rennfahrer"
So fanden sich Leute markiert, die
Jobs in Bereichen erhöhter Gefährdung machten, als wir noch kaum
etwas darüber wußten, wie sich diese Pandemie auf einzelne
Körper und auf unsere Gesellschaft auswirken werde. Zugleich
wissen wir, wer sich selbst „Held“ nennt, ist gewöhnlich keiner.
Das Wort Helden weist stets auf Narrative hin, die uns am
ehesten klar werden, wenn wir über die Motive der Erzählenden
nachdenken. Ich bin die Brut eines Clans, dessen Narrative
allerhand solcher Figuren aufweisen, aus denen man
Heldengschichten zimmert. Das hat mich für die Motive von derlei
Erzählungen hellhörig gemacht.
Links Igor F. Petković, rechts Roland Berger
Es geht freilich auch
warmherzig. Gestern war das Thema in einer sehr
freundlich gefärbten Situation aufgehoben. Igor F.
Petković alias Itsch hat das Projekt
„KUNST:FLUG:111“ (Als die RENNER fliegen
lernten!) konzipiert und umgesetzt. Daß wir uns dazu
alle in einem Fußballstadium trafen, hat seinen
speziellen Charme, denn im aktuellen Streit um
Veranstaltungsmodi unter Corona sind Fußballstadien
mit spezieller Symbolkraft versehen.
Für uns
hieß das, wir hatten in der Zusammenkunft genug Raum
unter freiem Himmel, um den denkbaren Kontakt mit
dem Virus auf eine Wahrscheinlichkeit nahe Null zu
drücken. Es gilt als gesichert, daß bloßer
Hautkontakt dem Virus keine Chance auf wirksame
Kulturen gibt.
Alexander Renner beim Einchecken
Covid-19 kommt ja aus
eigener Kraft nicht vom Fleck. Es kann definitiv
nichts tun, außer in einem Wirtskörper jene Stoffe
zu finden, die es zu seiner Reproduktion braucht,
weil es nicht einmal das kann, sich unter
seinesgleichen vermehren. Was uns demnach
gesundheitlich bedroht, ist der Abwehrkampf unserer
Körper, falls wir das Virus aufgenommen haben.
Es muß sich in ausreichender Dichte über
Aerosole bewegen, wie sie zum Beispiel im Ausatmen
losziehen, so jemand schon infiziert ist. Die
Betonung liegt auf a) ausreichende Dichte und b)
schon infiziert. Wir genießen also derzeit eine
Situation, in der ich davon ausgehen darf, daß ich
in der „Gruabn“, auf diesem alten Fußballplatz, kein
ausreichendes Zusammentreffen der kritischen Momente
erlebe.
Rund ein Jahrhundert nach den Renner'schen
Flügen sind handliche Fluggeräte banales Equipment wie
Staubsauger oder Rasenmäher
Dennoch hatte die Projekt-Crew beim Einlaß gut zu
tun, Namenslisten, Sitzplatzlisten und zu vergebende Armbänder
passend in Deckung zu bringen. Später, bei all den
herumhuschenden kleinen Kindern, diesen fröhlichen Wesen voller
Neugier und Tatendrang, konnte einem dämmern, daß es heute kein
Big Deal ist, aus der Stratosphäre auf die Erde zu springen oder
mit einem Wing Suit durch ein steinernes Nadelöhr zu flitzen.
Es braucht derzeit womöglich mehr Mumm, einen Schritt
zurückzutreten und diesen vitalen Kobolden den Rücken zu
stärken, denn wir gehen alle in harte Zeiten. Da ist
ja viel Know how, wie man sowas meistert… eher nicht,
indem sich ein Held einsam ins Rad der Geschichte wirft.
-- [Wir
Ikarier] --
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