9. August 2020

Ein Leben in der Kunst

Der Gerichtsverhandlung in Weiz wird eine weiter folgen. Dort stehen Intentionen und Verhaltensweise zur Debatte. Das berührt auch Fragen, was ein Leben in der Kunst sei. Darüber sollten wir reden.

Ich halte es für eine etwas altbackene Idee, „Berufung“ geltend zu machen. Als hätte mich etwas oder jemand gerufen, aufgefordert, einberufen. (Das überlasse ich der Theologie.) Ein Leben in der Kunst ist etwas Obsessives. Wer dem nachgeht, ist für nichts anderes zu gebrauchen. Aber Achtung!

Lassen Sie mich ein paar Begriffe vorlegen, die nicht synonym sind, die als verschiedene Kategorien verstanden werden müssen. Kunst. Kunstwerke. Kunstschaffende. Kunstmarkt. Kulturbetrieb.

Ich habe im vorigen Eintrag Markus Lüpertz zitiert, der meinte, die Kunst ringe stets mit sich und den Fragen nach Qualität, nach Vollendung. Das ist sehr nach meinem Geschmack. Doch mit der Einschränkung, daß bei mir in diesem Satz „der Künstler“ statt „die Kunst“ stünde. (Den Unterscheide vermute ich in einer Identifikation Lüpertz‘, die ich so nicht teile.)

Ich ringe mit mir und mit den Fragen nach Qualität, nach Vollendung. Das geschieht, weil ich in die Kunst gegangen bin und in der Kunst lebe. Es ist, wie erwähnt, etwas Obsessives. Das bedeutet ferner, was ich für eine gelingende Kunstpraxis brauche, bestimmt auch mein Leben, mein alltägliches Verhalten.

Das ist im Kern… Folgerichtigkeit. Das Bemühen um Kohärenz, weil sonst alles, was ich als Künstler mache, nichtig ist. Freilich gibt es ein Leben ohne diese Schlüssigkeit. So ein Leben kann ohne weiteres gelingen. Bloß in der Kunst macht es einen markanten Unterschied: ohne diese Kohärenz und ohne Folgerichtigkeit mögen gute Arbeiten entstehen. Sie sind Ausdruck von Handwerk. Sie sind Dekoration.

Ich schätze das keinesfalls gering. Ich betone es bloß als etwas anderes. Wie ein Tisch kein Sessel ist und eine Tür kein Fenster. Wir klären Begriffe, damit wir wissen, worüber wir reden. Ein Leben in der Kunst ist keine besondere Sache. Es verlangt bloß, die Bedingungen zu kennen und einen individuellen Umgang mit diesen Bedingungen zu entwickeln.

Daher ist die Kunst nicht das Werk. Die Kunst ist transzendent, das Kunstwerk sinnlich erfahrbar. Werke werden von Kunstschaffenden hervorgebracht. Ich kann meine Werke auf den Markt tragen, muß das aber nicht.

Auf dem Kunstmarkt werden die Preise von Werken verhandelt, was eine soziale Kategorie ist, keine der Kunst. Der kulturelle Wert ist eine andere Frage. Im Kulturbetrieb kann dagegen selbst das Wirkung erzielen, was nicht publiziert, nicht vermarktet wird.

Als Künstler stehe ich über Jahre und Jahrzehnte immer wieder vor Entscheidungen, mit welchem dieser Aspekte ich wie verfahren möchte. Im Kern bleib mein Ringen um Folgerichtigkeit. Erst daraus kann ich meine Optionen bezüglich Qualität und Vollendung ableiten.

Deshalb lebe ich mein Leben, wie ich meine Arbeit mache, denn ich wüßte nicht, wie und vor allem warum ich das trennen sollte; im Sinn von: jetzt bin ich im Dienst, dann aber außer Dienst. Ich hielte es für Mumpitz, das zu idealisieren. Es sind bloß meine Arbeitsbedingungen und darin auch meine Lebensbedingungen. Man kann den Fokus beliebig hin- und herschieben, Arbeit, Leben, Arbeit, Leben, dahinter gibt es keine andere Klarheit.

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