8. August 2020
Raum, Kunst und Politik
Es war der
Staatsanwalt, von dem bei der Verhandlung in Weiz das Thema
Kunst mehrfach betont wurde. Dabei erwähnte Johannes
Winkelhofer zum Beispiel den Aktionismus, dessen Geschichte
ganz wesentliche Wurzeln in Wien hat.
Wir hätten auch
über Augusto Boal reden können. Dessen „Theater der
Unterdrückten“ ist ein Verbinden von Selbsterfahrung
und Kunst, verzahnt mit politischem Handeln. Das ereignet
sich zwangsläufig ganz wesentlich im öffentlichen Raum.
Boal hat
mit seinem Konzept des „versteckten Theaters“
Kommunikationsformen ausgelotet, die bis heute variiert und
gepflegt werden. Performance. Aktionismus. Intervention. Das
sind längst etablierte Modi, um Raum, Kunst und Politik in
Wechselwirkung zu bringen.
Richter und Staatsanwalt haben
stark dazu tendiert, eine Dialogsituation vorauszusetzen, wenn
die Interventionen der Angeklagten akzeptabel und daher
womöglich sanktionsfrei sein sollten. Das hieße aber, die Mittel
der Kunst und die kulturelle Praxis verkürzen.
Fragen wie
„Was wollten Sie bewirken“ oder „Was wollten Sie
denn sagen“ mündeten in Empfehlungen des Staatsanwaltes wie
„Sie hätten auch eine Veranstaltung anmelden können“ oder
(noch besser!): „Wären Sie doch auf die Bühne gegangen, um
etwas zu sagen“.
Seit der griechischen Tragödie
werden freilich die Zusammenhänge von Raum, Kunst und Politik
keineswegs so eng gefaßt. Wenn also das Gericht hier auf eine
Präzedenzfall aus ist, sollten wir diese Begriffe und ihre
gesellschaftliche Bedeutung auf der Höhe der Zeit erörtern, um
ihre aktuelle Bedeutung zu klären.
Dazu gibt es eine
populäre Frontstellung, die wir vorab auflösen sollten: +)
Position A: „Die Freiheit der Kunst“. +) Position B:
„Die gewissen Grenzen“.
Zu Punkt A gilt als
Konsens, es gibt in der Kunst keinerlei Denk- und Themenverbote.
Das befreit aber die Kunstschaffenden nicht davon, sich den
Regeln des Gemeinwesens zu stellen und allfällige Konsequenzen
ihres Tuns zu tragen.
Zu Punkt B läßt sich
eigentlich nur sagen: das ist eine völlig trübe Kategorie,
mit der sich jene zu retten versuchen, die den Mund
aufmachen, ohne sich Sachkenntnis erworben zu haben. Dieses
ermüdende Geschwafel von den „gewissen Grenzen“ führt
nirgends hin.
Mittel
der Kunst erschöpfen sich nicht in Call and Response, wobei
rational dechiffrierbar Botschaften ausgetauscht würden. Das
tut die Propaganda übrigens auch nicht. (Über dargebotene
und rezipierbare Sachinformationen der FPÖ bei dieser
Kundgebung wäre noch zu reden.)
Von Markus Lüpertz
stammt der anregende Hinweis, die Kunst ringe stets mit sich
und den Fragen nach Qualität, nach Vollendung. Das verweist
auf eine komplexe Kommunikationssituation, wie sie von der
Spezies Mensch übrigens seit der Neolithischen Revolution
gepflegt und vertieft wird.
Wir sollten uns
vermutlich dem Vergleich von Mitteln der Kunst mit jenen der
Propaganda noch eingehender widmen. Und wir müssen erörtern,
was uns öffentlicher Raum in Tagen der Vierten Industriellen
Revolution ist.
-- [Pfeifer im
Sturm] --
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