14.
Dezember 2019
hi-hi-hilfe!
es hat noch jedesmal
beschimpfungen gegeben, wenn ich mich zum thema peter handke
geäußert habe. das scheint teil einer heimischen
empörungs-folklore zu sein, die sich seit rund 20 jahren eher
vertieft als aufheitert. ob ich hilfe brauche? aber nein!
ich hab in der
vorigen notiz betont: „und handke? es ist mir völlig
egal, wie er in dieser ganzen angelegenheit abschneidet. ich
habe kein interesse daran, daß es so oder so ausgehen werde.
weshalb? weil ich ein leser bin und kein fan.“
genauer: ich bin seit über 50 jahren lesender und erinnere mich
an keine einzige phase, wo ich einem autor oder einer autorin
besonders angehangen hätte, mich in deren biografie vertiefen
wollte. mich interessiert TEXT und was er mir bietet, nicht die
person.
ich bin freilich am weltgeschehen interessiert.
das ist ein anderer aspekt. (wäre handke darin quasi der
anti-zola?) und ich hab ein spezielles faible für südosteuropa.
das wurzelt einerseits (von der mutter her) in meiner
familiengeschichte. das hat anderseits eine jüngere
initialsituation durch die nähere bekanntschaft und vormals
stellenweise kooperation mit dem historiker karl kaser.
der war, als wir uns vor jahrzehnten kennenlernten, gerade mit
dem damals noch sehr verschlossenen albanien befaßt, später mit
der gesamten region, die europa über jahrtausende so sehr
geprägt hat.
wäre der vollständigkeit halber noch zu
erwähnen, daß eine wesentliche liebe meines lebens serbisch ist,
eine frau mit erheblichem horizont, was mir eine reihe sehr
privater zugänge zu den kulturen der südslawischen leute
eröffnet hat. so ist es in summe ein enorm kontrastreicher bogen
an sehr unterschiedlichen quellen, aus denen sich meine
vorstellung dessen nährt, was heute als BALKAN bezeichnet wird.
mein europa text ist mir nach wie vor
eine bedeutende quelle in dem, was mich nach südosteuropa fragen
läßt. doch diese fragen sehe ich als einen teil der fragen nach
europa, nach MEINEM europa, das weit größer ist als die
europäische union.
daraus ergibt sich zwangsläufig eine
geschichte voller widersprüche, voller irritationen. aber genau
DAS ist eben mein europa. kein wohlgeordnetes, kein
friedfertiges, keines der harmonisch abgestimmten interessen. es
entstehen keine wahrheiten, indem man versucht, die widersprüche
zu eliminieren.
ich bin ein kind des kalten krieges und
bin die brut von tätern. ich mußte selbst nie beweisen, daß ich
mein leben für einen zwec k außerhalb meiner existenz einsetzen
würde. aber ich hab auf meiner quest ins balkanische solche
menschen kennengelernt. gezeichnete, verwundete menschen.
solche, die mit ihren dämonen leben müssen, weil sie untrennbar
geworden sind.
ich hab ein faible für die griechische
tragödie; übrigens ein balkanisches konzept. sie bietet einen
weg zur kartharsis an, ist aber kein tribunal. es wird auf
urteilsverkündungen verzichtet. stattdessen sind alle
beteiligten aufgefordert, zu erzählen, was sie erlebt und
erfahren haben.
darin liegt meines erachtens eine enorme
kulturleistung, denn das bedeutet, ich muß nicht alle
erfahrungen selbst machen, um mehr über das leben zu erfahren.
das ist ein nutzen in der befassung mit kunst.
ein
tribunal, schließlich das, was wir für ein geordentes verfahren
halten, dreht sich in anderkannter rechtspraxis um solche
aspekte: +) wir untersuchen die tat. +) wir untersuchen
die indizien. +) wir untersuchen die intentionen.
was
ist geschehen und in welchem zusammenhang ist es geschehen?
welche belege gibt es für die tat und die täterschaft? was hat
die handelnde person bewegt und in welcher verfassung mag sie
dabei gewesen ein? (wünscht sich jemand ein handke-tribunal?)
[Eine
Facebook-Notiz]
Eine
Balkan-Situation (Übersicht) |