13.
Dezember 2019
ho-ho-hoppala!
der volksmund sagt:
wer aufzeigt, wird es wohl gewesen sein. das ist so amüsant
am zustand meines milieus. da hat sich ein stück spießerkultur
breit gemacht, deren promotoren sich in diesem zusammenhang
keinesfalls selbst gemeint fühlen.
wer hätte gedacht, daß
sich erregung und empörung konfektionieren lassen? aber so ist
es gekommen. und peter handke geriet offenbar zum aktuellen
lieblingsobjekt der preiswerten unmutsäußerungen. es ist wie mit
dem witz von den numerierten witzen.
zwei
stimmungskanonen sind dazu übergegangnen, ihre besten witze mit
nummern zu belegen, damit sie nicht allerweil die ganze
geschichte erzählen müssen. sie rufen bloß eine zahl, das werte
publikum wiehert und klopft sich auf die schenkel.
doch
als eines tages der eine von beiden „245!“ ruft, fällt
sein kumpel lachend vom sessel und kriegt sich eine weile nicht
mehr ein. „was ist denn mit die los?“ „na, 245! verdammt,
den hab ich noch nicht gekannt!“
der
„kickl-groove“ so schrullig kann die handke-debatte
gelegentlich werden, weshalb ich mich vorerst nicht daran
beteiligen mag. da kursieren mir zu viele ressentiments, die
ganz ohne sachliche gründe und ein schlüssiges fazit auskommen.
meinungen, meinungen, meinungen, viel düsteres raunen, viel
abschätzigkeit.
das nenne ich inzwischen den
„kickl-groove“. andersdenkende werden herabgewürdigt,
beschimpft, ohne daß die urteile nachvollziehbar begründet
würden. viel an unterstellungen, wenig an fakten. eine art
geistiger lynchjustiz; im kontrast zu jenen, die texte, aussagen
und auftritte von handke benennen, deuten, konktet kritisieren.
dieser „kickl-groove“ deckt vieles an der interessanten
handke-kontroverse zu, weshalb ich noch ein weilchen warten
möchte, bis sich etwas der staub gelegt hat und klarer erkennbar
wird, was heute erneut zu handkes haltungen in den 1990er
balkan-kriegen festgestellt werden kann.
es gibt ein
anderes sprüchlein, das manchmal auf wanderschaft geht:
lieber einen guten freund verlieren, als eine gute pointe
verschenken. (vielleicht muß man kabarettist sein, um diese
ansage zu begreifen und überdies zu mögen.)
if
you come at the king wer zum raufbold tendiert, wird
sich fallweise nicht auf konsens angewiesen fühlen, wird
eventuell folgendes spüchlein mögen: if you come at the
king, you best don’t miss. das wäre auf die rustikale art
etwa so zu übersetzen: wenn du ein großes faß aufmachen willst,
sei sicher, daß du heftig zuhauen kannst.
mir war gerade
danach, ein weilchen sprüche zu klopfen, ohne genauer auf den
punkt zu kommen. meine gestrige glosse „ha-ha-handke!“
hat mir ein paar kuriose rückmeldungen eingebracht. ich dachte
zuvor, daß ich mich verständlich gemacht hätte, um das augenmerk
auf ein augenblicklich nicht abklingendes empörungsgetöse zu
lenken. (bloß ein aspekt der ganzen angelegenheit.)
in
diesem empörungsgetöse finde ich wenige beiträge, die mir
belegen, daß jemand um erkenntnis ringt. statt dessen viel an
großen gesten, lauten worten, kaum etwas, das gut begründet
wurde, obwohl die vorhaltungen gegenüber dem grantigen autor
sehr ernster natur sind.
also noch einmal zum
essenziellen punkt, der mich gestern bewegt hat. die kunst ist
nicht dazu da, um menschen zu versammeln, die reinen herzens
sind und tadellose manieren haben. die kunst ist keineswegs auf
spezielle art den besten eigenschaften von menschen gewidmet.
ich übernehme zur erläuterung dieser behauptung gerne eine
antike aussage über die erkenntnis, denn so denke ich auch über
die kunst: sie soll sich nicht lohnen, sondern erweisen. klar?
die kunst soll sich – wie die erkenntnis –nicht lohnen, sondern
erweisen.
um ethisch kohärente und anerkennswerte
zusammenhänge kümmer ich mich dann selbst, an mir, um
meinetweillen. dazu brauche ich die kunst nicht. außerdem will
ich nicht, daß jemand solche bemühungen an die kunstschaffenden
delegiert, sondern sich um die eigenen angelegenheiten schert.
was ich an fragen und an aufgaben für relevant halte, welche
davon ich mit mitteln und strategien der kunst erkunden möchte,
um sie zu bearbeiten, zu bewäligen, kommt ganz ohne ermahnungen
aus, braucht vermutlich telos, kann aber ohne ethos vorankommen.
treuherzigen seelen wie sehr bestaune
ich jene treuherzigen seelen, die zwar dem personal der kunst
jederzeit ethische qualitäten abverlangen möchten, aber das
eigene vermögen oder unvermögen in so einem zusammenhang lieber
außer streit stellen, hinter ihrer empörung verstecken.
man erkennt sie unter anderem daran, daß sie den alten trick zur
beherrschung von streitgesprächen anwenden. sie wechseln im
notfall, etwa dann, wenn es ihnen an argumenten mangelt, von
inhaltlichen fragen zu fragen des benehmens. sie verwerfen
argumente zur sache und machen mit argumenten zur person weiter.
plötzlich geht es nicht mehr um das thema, sondern um das
benehmen der beteiligten.
und handke? es ist mir völlig
egal, wie er in dieser ganzen angelegenheit abschneidet. ich
habe kein interesse daran, daß es so oder so ausgehen werde. ich
will den kasus beizeiten wieder näher betrachten. dann möge
zufriedenstellende recherche erfolgt sein, die anfechtbare
stellen zitiert, deren kontext darstellt, handkes intentionen
plausibel interpretiert und mir verschiedene deutungen des
gewesenen anbietet. ich werde so frei sein, auch meine eigenen
schlüsse zu ziehen, und will dann prüfen, welches fazit mich
überzeugt.
im augenblick bleibe ich noch dabei, meine
gedanken zu ordnen und gelegentlich jene anzubrüllen, die mir
mit ihrer heuchelei, ihren großspurigen tönten und unüberprüften
annahmen zu nahe rücken.
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