29. November 2018 Was
nun geklärt ist: Ich werde nicht bei der weißen Polenta bleiben. Fraglich, ob es
tatsächlich am Geschmack liegt, der mir feiner vorkommt, aber Gelb ist die Farbe des
Sterz. Mir scheint, davon mag ich nicht abgehen. Dazu paßt, daß ich mich mit dem Most
der Hirschbirne anfreunden konnte, während mir der kürzlich
erwähnte Hirschbirnen-Sekt nicht mehr ins Haus kommt.
Dieser Most hat nicht annähend die Süße von Sturm
(Traubenmost), was folglich bedeutet, daß er nur wenig Alkohol entwickeln kann. Ich hab
ihn mir mit Wasser verdünnt. Das kommt so vielleicht am ehesten auf jenes
Geschmackserlebnis hin, das die Dienstboten einst auf den Bauernhöfen hatten. Es ist im
Erkunden einiger Zusammenhänge ein Spiel, von dem ich noch nicht weiß, wohin es mich
trägt, vielleicht auch bloß ein atmosphärisches Geplänkel.
Wenn man bedenkt, daß Geschmack tiefe Eindrücke schafft,
überdies in sehr wesentlichen Anteilen nicht bloß durch Rezeptoren im Mund, sondern auch
durch den Geruchssinn zustandekommt, wenn man einrechnet, wie erheblich wir über Geruch
kommunizieren, vielfach unter der Schelle bewußter Wahrnehmung, dann müssen in diesen
Dingen Erzählungen verborgen sein, für uns bereit liegen.
Das ist für mich derzeit so ein sachtes Entlangschrammen
an einigen meiner Themen und Aufgaben. Die Wegmarken und die individuellen Erzählungen sind momentan in
einem ruhigen Modus. Die Arbeit am Haflinger-Buch hat Vorrang. Dabei zeigen sich allerhand
historische Schnittpunkte.
So schrieb etwa Hilde Harrer in ihrer Dissertation "Automobilismus
in der Steiermark um 1900" zum Thema Neuerungen: "Weitergetragen wird
die Innovation durch Multiplikatoren, wobei den Medien und wirtschaftlichen Institutionen
eine bedeutende Rolle zukommt. Da die Übernahme des Neuen mit einem Risiko verbunden ist,
werden neue Gegenstände im allgemeinen zunächst von Angehörigen höherer Schichten
akzeptiert."
Das korrespondiert mit einem Buch aus dem Jahr 1890 zum
Thema "Culturbilder aus Steiermark", das überwiegend von Aristokraten
und Ingenieuren verfaßt wurde, Darin schieb etwa Joseph von Ehrenwerth zum Thema "Steiermarks
Eisenindustrie" über diese Region: "Mit ausgezeichneten Materialien
versehen, und von einer Natur mit zahlreichen kleinen und vielen mächtigen Wasserkräften
bedacht, ist Steiermark auch in hervorragender Weise zur Pflege einer Special- und
Kleinindustrie berufen, welche vor Allem guten Materiales, billiger Kraft und geübter
Arbeiter bedarf."
Da wir derzeit mitten in der Vierten Industriellen
Revolution stecken, halte ich für interessant, welche Kreise sich derzeit in den
Fragen nach Innovation bewähren. Und da wieder eines meiner aktuellen Lieblingsmotive.
Wohin wenden wir uns, wenn wir uns dem nähern wollen, was noch nicht gedacht erden kann?
Aber! Übermorgen bricht der Dezember an. Damit hat die
Jahreszahl 2018 bald ausgedient. Die Rückblicke sind in Watte gepackt und in den Regalen
verstaut. Kaiser Karl, der Aussichtslose, hatte im Oktober 1918 noch eine multiethnische
Situation beachtet und sich nicht an ein Staatsvolk, sondern an seine Völker
gewandt, also an die verschiedenen Ethnien Österreichs. Diese Klarheit, daß Demos
und Ethnos zweierlei sind, haben wir in Österreich offenbar während der Jahre
zwischen 1918 und 2018 mehrheitlich verloren.
Ich werde aus dem Stand der Dinge derzeit noch nicht
schlau. Die Vorstellung, daß eine politische Seilschaft mit allen verfügbaren Mitteln
einen ganzen Nationalstaat bewirtschaftet, halte ich inzwischen für realistisch. Die
Vorstellung, daß sich mit einer medial smart aufbereiteten Simulation von
demokratiepolitischen Verfahrensweisen ein Staatsvolk in den Griff bekommen ließe, finde
ich interessant. (Kann mir bitte jemand auch nur einen geistreichen Satz des
amtierenden Kulturministers vorlegen? Ich wäre dafür sehr dankbar!)
Für meine Generation war die Demokratie bisher billig zu
haben. So billig werden wir nun nicht davonkommen, Wer sich derzeit in Lamentos ergeht und
in die Beschimpfung Andersdenkender flüchtet, gießt bloß Wasser auf die Mühlen der
Regierenden. (Wie irritierend, daß das vielen meiner Leute noch nicht aufgefallen ist.) |