1. August 2018 Infosphäre. Unsere informationelle Umwelt. Das hat mich viele Jahre
im Zusammenhang mit Fragen nach Netzkultur beschäftigt. Dazu ist ein Thema für sich, daß ich
nicht kommen gesehen hab, was wir heute haben: Social Media, Haßtiraden, Behauptungen
ohne Begründungen. All das hatte ich in der Dimension nicht auf dem Radar. Ich kannte es
zwar in antiquierter Form, weil ich beispielsweise über lange Jahre Brieflein und
Nachrichten aus rechtsradikalen Kreisen erhalten hatte. Aber daß es in die heutigen
Formen umschlägt, wäre mir nicht eingefallen.
Inzwischen scheinen alle Lebensbereiche von
derlei Entwicklungen kontaminiert zu sein. Das hat sich vor dem Hintergrund einer
historischen Entfaltung von Heilsversprechen, Propaganda und Werbeindustrie aufgefächert.
Es beginnt schon im öffentlichen Raum, der zumindest in urbanen Zonen mit Botschaften
geflutet ist.
Als Beispiel der amtliche Schilderbaum, den
man eigentlich vom fahrenden Auto aus rezipieren sollte, was natürlich vollkommen
unmöglich ist. Vielleicht würde es noch halbwegs klappen, wenn die drei Hauptthemen auf
drei einzelne Schilderbäume verteilt wären: Orte, Sehenswürdigkeiten, Firmen. Aber so
erscheint mir das ziemlich nutzlos, weil im Vorbeifahren nicht lesbar.
Oft scheint mir, die Botschaften werden nach
dem Prinzip Fire and forget ausgestreut. Hauptsache raus damit! Bemerkenswert,
daß ein solches Fluten mit Botschaften inzwischen auch die Friedhöfe erreicht hat. Kaum
ein Grabmal, ohnehin selbst schon ein Medium mit Botschaften, das nicht zusätzlich mit
Engelsfiguren, Kreuzen und Sprüchen belegt wäre.
Ich meine, daß wir in Worten, Bildern und
Emotionen denken, Erfahrenes reflektieren. Die Emotionen als ein Mittel der
Reflexion sichern die Dimension des Körperlichen im Denken. Emotionen werden ja
körperlich erfahren. Der Körper läßt uns im Raum sein. In solchem Zusammenhang
interessiert mich unser Lebensraum als Kulturraum, der permanent mit Botschaften
bespielt wird. (Von wem? Womit? Aufgrund welcher Intentionen?)
Hier greift auch unsere Befassung mit den
Zusammenhängen zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst. Das
führt in eine Praxis, zu der ich derzeit eine Kooperation mit drei Bürgermeistern der
Region erlebe, die sich über zwei Teilprojekte entfaltet. "Ich bin eine
Geschichte" und "Wegmarken", die komplementär zueinander
angeordnet sind. Das Projekt "Wegmarken" widmet sich vorerst speziell
dem Bereich Klein- und Flurdenkmäler, wobei es nicht nur um Bildstöcke, Wegkreuze oder
Kapellen geht, sondern auch um profane Beispiele.
Bürgermeister Robert Schmierdorfer
(links) und Peter Moser
Das sind die Elemente einer vorindustriellen Infosphäre.
Sie ergeben quasi Mosaiksteinchen eines imposanten Kulturdenkmals, innerhalb dessen wir
leben. Die alte Variante einer infomationellen Umwelt, denn derlei Wegmarken fügen sich
gesamt zu einem komplexen Informationssystem, das bis in die Gegenwart gepflegt und auch
weitergeschrieben wird. Siehe dazu beispielsweise: "Ein Ort der Freundschaft"!
Naheliegend, daß ich mich dazu auch mit
Pfarrer Gerhard Hörting verständigt hab. Ein profunder Theologe mit offenbar
ausgeprägtem Kunstverständnis, der die Region gut kennt. Damit befinden wir uns nun in
einem Prozeß, für den einige Menschen gerade überlegen, welche Rolle sie darin
allenfalls fänden. Zu Hörting siehe die Notiz "Über Kulturdenkmäler
nachdenken"!
Bürgermeister Werner Höfler
So sind wir mit einem Themenkomplex befaßt,
der ein Hand in Hand-Gehen von Kunsthandwerk und Kunst betrifft, der
inzwischen ein weites Feld von Kitsch und Surrogaten einschließt. Genau
das finde ich derzeit besonders interessant. Die auffallenden Wechselwirkungen in unserem
Kulturgeschehen, wo Kunsthandwerk, Kunst, Kitsch und Surrogate zur alltäglichen
Ausstattung unseres Lebensraumes gehören.
Ich finde auch interessant, wie sich die
Unterhaltungsindustrie permanent auf diese Genres setzt. Dazu kommt ein offenkundiges
gesellschaftliches Interesse an der "Distinktionsmaschine Kultur", was
sich etwa zeigt, wo sich völlig talentlose Menschen mit keinen erkennbaren
künstlerischen Ambitionen ins Kunstgeschehen drängen und sich ihren Mitmenschen
gegenüber unter der Flagge der Kunst hervortun möchten. (Stichwort Kitsch und
Surrogate.)
Das ist besonders staunenswert, wo solche
Attitüden von offiziellen Kulturreferaten mitgetragen werden. Wir haben also zum Stand
der Dinge einigen Klärungsbedarf, denn das Leben in einem Simulakrum stünde
ernsthaft zur Diskussion. Was wäre aber dem gegenüber heute "Das Reale"?
-- [Wegmarken] [Ich
bin eine Geschichte] -- |